Das Einstein-Dilemma

Stellen wir uns vor, wir befänden uns in einem Zug, der sich mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt. Unsere Bewegungen innerhalb des Zuges haben, wie wir annehmen dürfen, aufgrund Erfahrungen in der Realität, keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit und Richtung des Zuges.

Selbst wenn wir den Führerstand des Zuges kapern, können wir die Gleise nicht ändern, auf denen dieser Zug sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt. Maximal die Geschwindigkeit.

Achtung, jetzt werde ich spekulativ. Stellen wir uns weiter vor, dass jegliches Leben immer den Gesetzen der Physik ihres jeweiligen Universums folgen muss. Zwingend. Es mag Interpretationen, Anreicherungen und Erweiterungen geben, die sich aus dem komplexen Zusammenspiel zu vieler Teile ergeben, aber die Grundgesetze sind immer gültig. Zumindest postulieren wir das derzeit.

Weswegen es ja manchesmal wie Hexerei wirkt, wenn man anhand der Strömungsgesetze Voraussagen über die Bewegung von Menschenmassen treffen kann, die auch eintreffen.

Der irritierende Fakt, für einen reflektierenden Menschen, ist dabei, dass der Wille jeder einzelnen Person innerhalb einer Masse von Personen keine Auswirkungen auf die Strömungsgesetze hat. Es mag zu Verwirbelungen zu kommen, aber viel mehr ist selten drin.

Zurück zum Dilemma. Was wäre, nur für Spass, wie Harald Lesch so schön sagt, wenn die Gleise unseres Zuges die Evolution unserer Gattung, die Bewegung im Zug unsere gesellschaftliche Entwicklung und der Kampf um den Führerstand die Machtkonflikte darstellen würde?

Also abgesehen von dem Geplänkel, über Jahrhunderte, Jahrtausende, während der Zug an Fahrt aufnimmt?

Der wesentliche Punkt? Vielleicht?

Das wir zwar um den Führerstand des Zuges kämpfen können, aber die Gleise nicht ändern können?

Was blieben für Alternativen?

Den Zug anhalten? Also die Entwicklung der Zivilisation stoppen oder einfrieren? Sofern so etwas unter evolutionären Gesichtspunkten möglich wäre. Die bisher bekannte Geschichte spricht eher dagegen, Stillstand bedeutet meistens Tod.

Weiterfahren und weiterstreiten?

Nihilisten werden?

Nun ja, deswegen nenne ich es das Einstein-Dilemma. Wir könnten gefangen sein in unserer Relativität, in unserer Titanic, die Gewalten gehorcht, die wir weder heute noch in Zukunft kontrollieren werden können (Kontrolle ist eine Illusion) und wir können uns der Illusion hingeben, das unser Gang auf die Toilette des fahrenden Zuges einen Einfluss auf die Geschwindigkeit und die Richtung des Zuges hat.

Solange wir nicht aus dem Fenster springen, was, genau betrachtet, auch keine gute Idee scheint.

Völlig verwegen könnten wir auch in Betracht ziehen, wenn alles möglich und alles relativ ist, dass wir den Zug anhalten, eine Pinkelpause in der Geschichte, die schon verlegten Gleise einsammeln und einen neuen Pfad legen.

Aber das wäre kitschige Hollywood-Gutes-Ende-Science-Fiction. Oder?

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