Tagebuch eines Nihilisten #1

Verdammte Kacke, ich kann mich nicht erinnern! Wahrscheinlich habe ich an Mutters Busen gesaugt, gierig, voll bio, lebensnah. Aber nein, wenn ich mich genau erinnere, und es sei klar gesagt, daran habe ich keine Erinnerungen, nur Geschichten aus zweiter und dritter Hand, dann wurde ich mit der Flasche aufgezogen.

Was vieles erklärt. Aber bei weitem nicht alles. Bei weitem nicht …

Okay, Tag 1, ich bin da, keine Ahnung wie, die neun Monate davor vergessen wir auch, genauso wie den Fakt, dass mein Vater eigentlich andere Pläne hatte …

Marlene, hatte andere Pläne, doch Simone de Beuavoire …

Also gut, ich bin da, muss da gewesen sein, wahrscheinlich, wenn ich nicht denke, dass jemand anderes mich gerade denkt, so what?

Ist das jetzt ein Satz? So richtig mit Subjektiv, äh Objektiv … , gibt es das überhaupt? Egal Subjekt, Prädikat, Objekt. So ging das doch, oder? Bloss am ersten Tag? Nee, nee, nee, da hatte ich noch keinen blassen Schimmer, was, wenn ich es recht bedenke, immer noch genauso zutrifft, aber egal …

Nen Satz, so richtig, also Sprache, hey Mann, am ersten Tag? Wie bist du denn drauf? Titten, hoch hängend und dann Plastiknippel, so sah mein Tag aus. Aus denen Nährflüssigkeit tropfte, der ich mich nicht widersetzen konnte. Es galt zu wachsen, zu leben, zu scheissen, zu furzen, zu sabbern, zu rülpsen und … noch lange nicht … zu denken. Hey, klar Mann, auch wenn jeder so tut, als wäre er oder sie oder es, wie ich just gelernt habe, gerade so, völlig fertig, aus dem Ei geschlüpft …

Wir wissen nix, wenn wir auf dieser Welt ankommen. Und das ist ja noch völlig okay, mal locker gesehen. Aber das wir immer noch nix wissen, wenn wir erkennen, dass wir früher oder später halt doch gehen müssen, na ja, dass ist jetzt schon etwas … wie sagt der Bauer … mager? Mager dieses nicht, vielleicht mager jenes, oder was?

Ma ehrlich, was hat das mit meinem ersten Tag auf dieser Welt zu tun? Zurecht mag man sich fragen, was will der Bursche uns sagen?

Und zurecht möchte ich anmerken, was spielt das überhaupt für eine Rolle?

Kannst du deinem Kind WIRKLICH mit Worten beibringen, dass eine Herdplatte heiss ist? Echt? Komm vorbei und zeig es mir. Sonst nehme ich dir das nicht ab.

Aber ja, erster Tag, weit davon entfernt, zu wissen, was Herdplatten sind, imaginierend im Alter, wie es denn so gewesen sein könnte … und alles reinhören … in sich … erinnern … … hilft nix, überhaupt nix – die Götter waren gnädig! Du hast einfach keine Erinnerung mehr!

Du weisst, es muss gewesen sein. Es scheint wahr zu sein, wenn du deine eigene Existenz (Wie willst du eigentlich sicher gehen, dass du eine Existenz hast?) als gegeben hinnimmst. Du bist, im Hier und Jetzt, und hast, vielleicht, ein Alter von <hier speziesspezifische Zeitskala einsetzen> oder so. In meinem Fall viel zu viele Jahre, das ist hier so das Mass. Einmal um die Sonne rum und fertig ist ein neues Jahr. Was immer das auch bedeuten mag …

Okay, wir sind jetzt mal ganz krass. Wir gehen einfach davon aus, dass es uns, mich, wer auch immer das ist, früher, irgendwann, irgendwie mal gegeben hat und gegeben haben werden wird. Oder so.

Ich bin jetzt einfach so da. Ein Fakt, der den Fakt fuckt. Echt Fakt.

Aber, ma ehrlich, seit wann wäre der Mensch von Irrationalität nicht begeistert gewesen? Wie auch nicht? Wenn alle Möglichkeiten verwehrt sind, rational zu sein?

TAG 1? Echt jetzt? Wann soll das gewesen sein? Als physikalische Präsenz begann ich als Spermie und Eizelle einen Bund fürs Leben eingingen. Sozusagen!

Und das war lange vor meiner Geburt. Und kaum gebohrt, hat es auch nicht geholfen. Ein Klumpen Fleisch, der aufgrund genetischer Programmierung einen völlig überhöhten Niedlichkeitsfaktor erhielt, nur um sicherzustellen, dass dieser Klumpen rülpsendes, furzendes und sonst wie agierendes Fleisch zur Erkenntnis kommt. Mit der man dann meist selten zufrieden ist. Aber immerhin.

Wo fängt Tag 1 an? Nicht bei der Geburt, soviel ist klar. Im Moment der Zeugung? Physikalisch korrekt. Aber ich? Ich, wie ich mich als das Ich verschiedener Ichs fühle? Und wann habe ich eigentlich angefangen, von mir in der Mehrzahl zu sprechen?

Tag 1 ist eine Idiotie. Mehr nicht.

Wahrscheinlich habe ich geschrieen als ich endlich da war. Aber wie verlässlich sind schon Augenzeugen? Es begann. Irgendwo. Irgendwie. Und jeder wird wahrscheinlich früher oder später merken: Es endet! Möglicherweise gerade jetzt. Okay. Sollte ja irgendwann auch mal genug sein … obwohl …

Vielleicht eines der wenigen Dinge, die uns als Mensch definieren. Wir bekommen nie genug!

Vorausgesetzt, es ist so, wie wir denken. Doch war es dann auch so, als wir noch nicht denken konnten? Wie sprach der alte Goethe aus dem Munde von Mephistopheles? Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht. Denn alles, was entsteht, ist wert, daß es zugrunde geht.

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