Gedanken zu Menschen und KI

Wenn man nur annähernd von der Idee ausgeht, dass neuronale Netzwerke in Ansätzen Strukturen nachbilden, die in humanen Gehirnen oder, weiter gefasst, in diversen Lebensformen präsent sind, dann sollte man ein besonderes Augenmerk auf die Fehler richten.

Kurz gesagt: Shit in, Shit out

Entsprechend aller Erfahrungen, die wir bis jetzt gemacht haben (Schildkröte oder Waffen, googelt es doch selbst), kann man davon ausgehen, ganz allgemein, dass das Training eines neuronalen Netzes zu blinden Flecken, wie auch zu Fehlinterpretationen führt, die spezifisch mit dem Training zusammenhängen.

Wenn wir diesen Gedanken erweitern, wir befinden uns in einem Gedankenspiel, keiner mathematischen Beweislage, dass Training impliziert, anfällig für bestimmte blinde Flecken wie auch Fehlinterpretationen zu sein und wenn wir unterstellen, dass auch wir Menschen zu den Lebewesen gehören, die neuronale Netze in wesentlich höherer Komplexität benutzen, dann mag es möglich sein, dass auch unsere „Wirklichkeit“ blinde Flecken und Fehlinterpretationen enthält.

Soweit, so schrecklich.

Wenn mehrere verschiedene neuronale Netze komplex vernetzt sind, dann gibt es einerseits die Möglichkeit, dass diese Netze sich gegenseitig  kontrolllieren um Fehler zu nivellieren. Aber es ergibt sich auch die Möglichkeit des viel stärkeren Feedbacks, des Aufschaukelns eines Systems.

Und es gibt noch einen anderen schrecklichen Gedanken …

Wenn wir die Erfahrungen aus neuronalen Netzen auf unsere Konfiguration erweitern, dann bedeutet dies auch, möglicherweise, dass unsere Wirklichkeit nur vom Input geprägt ist, den wir erhalten haben. Dass diese Wirklichkeit möglicherweise ein funktionierendes Abbild der Realität in einer überschaubaren und bekannten Umgebung ist, aber keinesfalls ein tatsächliches Abbild der Realität.

Was, nur so nebenbei, viele Seltsamkeiten im Verhalten von Lebewesen erklären könnte. Wenn der Schwarzschildradius der eigenen Ereignishemissphäre nur auf wenige lokale Ereignisse und ihre Erkennung begrenzt ist, dann führt das dazu, dass man nur mit Lichtgeschwindigkeit diesen Horizont überwinden könnte. Wäre jetzt mal meine Annahme.

Noch so ein paar Splittergedanken.

KIs brauchen ihre Verarbeitungs- und Lernphasen mit Wiederholung.
Wir brauchen Schlaf – wo genau ist da der Unterschied?

KIs können nur das Erkennen, was sie gelernt haben.
Wir können nur das Erkennen, was wir gelernt haben, auch wenn es ungleich mehr und vielfältiger ist – wo genau, im Prinzip, ist da der Unterschied?

KIs tun sich schwer mit Diversität, wenn es Kategorien betrifft.
Wir tun uns schwer, wenn wir unser Verhalten ändern wollen – wo genau ist da der Unterschied?

Sicher, einerseits könnten diese Gedanken endlos fortgesetzt werden, andererseits bestehen durchaus gewaltige Unterschiede. KIs sind isolierte neuronale Netzwerke, während wir Lebewesen, die durch das evolutionäre Sieb gepresst wurden, erprobte Modelle von Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Formen neuronaler Netzwerke sind.

Wenig verwunderlich, dass die Dichte der Neuronen rund um Verdauungsorgane dichter ist als in Gehirnen, so sie sich als nützlich erwiesen.

Klar, man kann es nicht vergleichen. Aber darum geht es doch nicht. Man kann auch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sofern man sich in der Kategorie Äpfel oder Birnen bewegt. Bewegt man sich in der Kategorie Obst, dann zählen auf einmal andere Faktoren und ein Vergleichbarkeit ist gegeben.

Selbst wenn wir extrem optimistisch annehmen, dass unsere neuronalen Netze viel effektiver und optimierter sind, dann kommen wir trotzdem in die Verlegenheit, dass komplexe Systeme einfach anfälliger sind. Die Evolution mag durch Aussortieren eine Menge Mechanismen geschaffen haben, die einen Feedback verhindern.

Aber, mal ehrlich, wie gelang und gelingt es Wesen zu überleben, die fast oder überhaupt keine Ahnung von der Welt im Grossen und Ganzen haben, sondern nur ihr kleines, feines Umfeld soweit erkennen, dass ein Überleben möglich ist?

Deutet das nicht darauf hin, dass Wahrnehmung der Welt im Ganzen, vielleicht sogar Erkenntnis nur ein untergeordnete Rolle im Roulette des Lebens spielt?

Ich schweife ab, Erkenntnis mag hilfreich oder eine Bürde oder Beides sein. Und doch ist es mit dem Thema verwoben. Ich sprach gerade von Reichweite, und die mag sehr unterschiedlich sein.

Aber Erkenntnis an sich? Deutung der näheren und nahen Umwelt? Das ist ein Killerkriterium in diesem Spiel des Lebens. Neuronale Netze, wie wir sie so unvollkommen nachahmen, sind da ein wesentlicher Faktor.

Eine Möglichkeit zur Selbsterkenntnis,

Wenn man die Hybris mal kurz bei Seite lässt.

Im Anspruch denken – Das Zeitalter der Egozentrik

Immer wieder bin ich überrascht, wie stark wir (ja auch ich bin nicht frei von dieser Sünde) in Anspruchsdenken verfallen. Oft aus Gewohnheit heraus. Man ist gewohnt, auch das ungewöhnlichste Gemüse oder Südfrüchte jeden Tag im Supermarkt zu finden. Man entwickelt einen Anspruch.

Das merkt man dann, wenn irgendetwas einmal nicht da ist. Sehr oft regt man sich darüber auf. Das gleiche, wenn mal das Internet nicht geht, der Strom ausfällt oder der Partner nicht genau das gemacht hat,  was man erwartet hat. Was man für sich in Anspruch nimmt.

Dabei werden wir nackt geboren. Ohne irgendetwas. Hilflos, meist eher hässlich, aber dank Kindchenschema scheinen die Eltern genau das zu lieben. Was einem meist das Leben rettet. Wir haben das Glück gehabt, dass jemand uns gefüttert hat, die Windeln gewechselt hat, uns gezeigt hat, wie man dieses und jenes macht. Dabei hatten wir nie einen Anspruch darauf.

Wir haben nur Glück gehabt. Und freundliche Menschen, die sich um uns freiwillig gekümmert haben. Und nicht weil wir einen Anspruch darauf hätten.

Es scheint mir, wir sind es mittlerweile so gewöhnt, selbstverliebt zu sein und etwas, dass gegeben wurde, als Anspruch zu sehen, dass wir vergessen haben, dass zum Nehmen auch das Geben gehört. Und das es viel anspruchsvoller wäre, weitmöglichst anspruchlos zu sein. Frei von Erwartungen. In der Lage, das Leben so zu nehmen wie es ist. Und sich daran zu freuen, was ist. Anstatt zu bedauern, dass etwas nicht ist.

Allein, im Zeitalter der ständig eingeübten Egozentrik (Hit me hard, hit me quick, with your fucking Selfiestick), ein Zeitalter in dem der grosse Teil der Herde solchen Vergnügen frönt, ist es schwierig, gegen den Strom zu schwimmen. Kaum lässt die Aufmerksamkeit nach, schwimmt man schon wieder mit der Herde.

Wahrscheinlich muss das so sein. Bis es so ausgelutscht ist, wie Hollywood-Filme oder Werbung. Bis man einfach genug davon hat. Sich sozusagen ordentlich überfressen hat und dann wieder zu einem normalen Mass findet.

Allein, ich weiss es nicht. Aber schön, mal ehrlich, finde ich es auch nicht …

Freier Fall

Nun, er hatte Glück! Immerhin hatte er nicht, wie andere, darauf bestanden, dass er keine Kinder wöllte. Er meinte, lassen wir’s drauf ankommen, was ihm viel Ärger und Frust ersparte. Dafür jede Menge anderen Frust und Ärger einbrachte.

Ganz im Gegensatz zu den anderen Männern, die keine Kinder wollten, sie aber trotzdem bekamen. Und wenn Frau dazu auf die Samenbank gehen musste, um nachher den Vater in die Pflicht zu nehmen. Gegen biologische Imperative kämpft man nicht an! Das Leben war auch so schon kompliziert und enttäuschend genug. Frag Marvin, wenn du es nicht glaubst.

Dass dann diese Kinder da waren, half meist, es als Glück zu verklären. So wie das Glück von einem Güterzug frontal gerammt zu werden und es trotzdem zu überleben. Und was konnten die Kinder schon dafür? Keine Sorge, das Leben würde sich schon was Passendes ausdenken. Da konnte man sich, bei so einer unbeständigen Sache, wie dem Leben, sicher sein.

Leben? Ja, das war wohl der Gedanke, der ihn auf diesen Fenstersims gebracht hatte. Nein, er hatte nicht vor, dreimal so alt zu werden, wie das Universum, um dann, genau wie Marvin, sagen zu können: Leben? Erzähl mir nichts vom Leben …

Es würde heute enden, so oder so! Nicht das es eine Rolle gespielt hätte. Eigentlich war er doch schon seit Ewigkeiten so tot, wie Hot Black Desiato, nur nicht aus steuerlichen Gründen. Und Gründe sich zu beklagen hatte er sowieso nicht. Wie käme er dazu? Beklagt sich ein Surfer, wenn ihn die Welle erwischt?

Nun gut, ja, die meisten beklagen sich.

Aber ein Surfer im Herzen? Nie!

Ausser, wenn es keiner sieht!

Gnädiger gestimmte Menschen machten dann das Schicksal oder irgendwelche Götter verantwortlich. Weniger gnädige Personen, die Sorte, die, die man zuhauf an jeder Ecke trifft, machen eher andere Personen oder Dinge verantwortlich. Was vielleicht erklärte, warum so viele Leute mit vollem Bauch und Dach über dem Kopf tatsächlich meinten unglücklich zu sein.

Es gab natürlich eine Theorie, die besagte, dass man solche Probleme eigentlich nur mit vollem Bauch und Dach über dem Kopf hätte. Aber wie die meisten Theorien, war auch diese Theorie nur annähernd richtig, auch wenn der kausale Zusammenhang nicht gänzlich konstruiert war.

Das es eigentlich keine kausale Zusammenhänge gab, war nur eine Nebensächlichkeit, die dem Menschen nicht bewusst war. Nicht bewusst werden konnte, was aus der Tatsache resultierte, dass diese Lebensform auf einem Betriebssystem lief, dessen Treibstoff Kausalität war. Egal, ob es sie gab!

Alles musste einen Grund haben. Musste! Und wenn es einen Grund geben musste, gab es den auch. So einfach, so erheiternd!

Wollte er jemanden verantwortlich machen? Nein! Gewiss nicht. Naja, ein bisschen vielleicht. Eigentlich ganz entschieden!

Und das wäre ja, sogar gemäss der Meinung der Mehrheit, völlig im Einklang mit dem allgemeinen Verständnis von Leben gewesen. Das Dumme war nur, der einzige, der ihm einfiel, den er verantwortlich machen konnte, war unbestreitbar er selbst!

Was spielte das schon für eine Rolle, dass er seine Kinder aufgefordert hatte, ihn fertig zu machen, damit er einen Grund hätte, seine persönliche Misere endlich zu beenden. Er hatte sie schliesslich aufgefordert und sie hatten diesen Job sehr ernst genommen. Mehr kann man sich doch nicht von seinen Kindern erwarten? Zumindest in einem ironiefreiem Leben, in dem man alles wörtlich nimmt.

In einem kurzen Anfall von Verzweiflung hatte er daran gedacht, die Kinder mitzunehmen, den ganzen langen kurzen Flug. Natürlich nur am Telefon. Am besten über Skype. Oder Youtube. Damit die Gaffer auch auf ihre Kosten kämen. Aber nein, das betraf nur ihn und diese Personen waren nur zufällig seine Kinder. Was hatten sie schon damit zu tun, dass er da war, wo er war?

Natürlich alles!

Aber das spielte keine Rolle. Im Endeffekt hatte er das gemacht, was er gemacht hatte und sich nie anders entschieden. Möglicherweise aus diesem Zwang heraus, einen Grund zu finden. Weil die Kinder da waren, musste er arbeiten. Weil er auch noch die Schulden aus der Ehe übernahm und Unterhalt leisten musste, musste er noch mehr arbeiten. Weil die Kinder auf einmal hunderte von Kilometern entfernt waren, arbeitete er noch mehr und so weiter und so fort, der ganze typische „Ich seh da einen Zusammenhang“ Kram halt.

Dabei war es seine Entscheidung die Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn ihn niemand, ausser er selbst, darum gebeten hatte. Naja, seine Frau oder sollte er Frauen sagen, ja, Frauen klang besser und war korrekter, hatten gefordert und gewollt. Ausser wenn sie mal nicht gewollt hatten. Meist wenn er wollte. Da kann man doch nicht wirklich davon reden, dass er gebeten wurde. Und dass die Kinder ihm die Schuld gaben, dass die Frau auf einmal hunderte von Kilometern zwischen ihn und die Kinder brachte, je nu, war ja klar. Wer sollte denn sonst Schuld sein? Die unangreifbare, unfehlbare Mutter etwa?

Wage es nicht uns die Schuld zu geben hiess es. Wie der Polizist, der ihn nicht durchlassen wollte, weil da eine Veranstaltung war. Und die Begründung, dass er aber dort wohnte, so sehr mochte, dass er ihm herzzerreissend die Scheisse aus dem Leib prügelte. Und dabei immer schrie: „Geben sie nicht mir die Schuld! Sie haben doch damit angefangen!“. Wenigsten hatte der Polizist nicht auch noch gedroht, sondern eher höflich gebeten. Auf seine Art. Mit Worten zumindest. Was konnte er schon dafür, dass seine Taten so anders ausfielen.

Dabei ging es ihm gar nicht darum, irgendjemandem die Schuld zu geben, sondern nur zu erklären, warum er im Bezug auf Weihnachtsgeschenke nicht in der Stimmung gewesen war. Nicht in der Lage war, viel zu schreiben oder gar anständige Geschenke zu liefern. In Sachen Erwartungen, da kannten seine Kinder kein Halten. Da waren sie Profis. Da waren sie in vertrautem Gelände. Das konnten sie.

Und alles nur, weil die Kinder sich beschwerten. Über die Geschenke. Natürlich. Und über ihre wiedermal enttäuschten Erwartungen. Allerdings hatten sie davon so viele, dass es eher schwer war, irgendwen irgendwie mal ausnahmsweise nicht zu enttäuschen.

Von allein hätte er mit diesem Thema gar nicht angefangen, das ihm dann um die Ohren gehauen wurde. Aber dieses selbstmitleidige, erwartungsenttäuschte „Das musste jetzt mal raus!“ hatte ihn zu einer Gegenreaktion getrieben. Auch bei ihm musste mal einiges raus.

Nicht das es seine Kinder interessierte, wie es ihm ging. Was da mal raus musste. Ausser es war lustig, fröhlich, unverbindlich. Sie hatten ja schon sein Testament als Angriff gewertet. Als ob es so unnormal wäre, in höherem Alter auch mal darüber nachzudenken, was wäre, wenn ihm irgendetwas zustossen würde. Insbesondere wenn man ständig unterwegs war. Auf die Dauer der Zeit steigt nun mal die Wahrscheinlichkeit für Unfälle.

Nein, jedes Anzeichen von Nichtfröhlichkeit war ein Affront. War ein Sturmangriff auf ihre Erwartungen, jetzt doch bitte bedient zu werden, jetzt doch bitte das zu bekommen, was sie sich wünschten. Es reichte doch wirklich, dass ihnen schon die Welt verweigerte, ihre Erwartungen zu erfüllen. Da war es doch nur recht und billig, dass wenigstens er ihre Erwartungen erfüllte.

Und bis zu einem gewissen Alter fand er das auch völlig okay. Schliesslich machte man das doch so. Den Kinder erzählen, dass alles nicht so schlimm ist, während man innerlich verreckt. Das alles wieder gut wird, während man nicht schlafen kann und nicht weiss, wie es weitergehen soll. Das macht man doch so.

Aber bei erwachsene Personen? Mit eigenen Kindern, die langsam in die Pubertät kommen? Er fragte sich immer noch, wann er diesen Vertrag mit Blut unterschrieben hatte? Ach nee, genau, es war kein Blut gewesen. Es war Sperma! Die Geheimtinte. Alles klar.

Hätte er sich ja eigentlich gleich denken können. Ha, denken, er war sich ja noch nicht mal sicher, ob er überhaupt denken konnte. Nachher denken, ging immer gut. Oh nein! Hätte ich doch nur! Wenn ich das gewusst hätte! Das funktionierte prima. Das mit dem vorher denken, das war das Problem.

Das Konzept einer Drohung schienen sie auch nicht verstanden zu haben. Oder er hatte es nicht verstanden. Wer weiss das schon. Sie hatten sich beschwert, er hatte versucht es zu erklären. Dummerweise keine fröhliche Sache. Dummerweise vermintes Gebiet. Aber eine Drohung? Wo hatte er verdammt noch mal damit gedroht? Er hatte erwähnt das es ihm schlecht ging, worauf ganze Engelschöre „Selbstmitleid, Selbstmitleid, Selbstmitleid“ anstimmten.

Er hatte erwähnt, dass er weiterkämpft. War das die Drohung? Sollte er endlich konsequent mit kämpfen aufhören? So hatte er das bis jetzt noch nie gesehen. Klar, seine Gegenwart, auch wenn weit entfernt, weiter ertragen zu müssen, Schuldgefühle zu haben, weil man keine Zeit und keine Lust hatte, sich um den Vater zu kümmern, logisch, wenn er dann weiterkämpfte, dann war das eine handfeste Drohung.

Das Gute war, dass sie damit seinen Trotz geweckt hatten. Sonst hätte er sie auf die Brücke mitgenommen. Doch wenn sie das mit aller Macht versuchten, ihn genau dahin zu bekommen, dann … dann erstmal nicht. Nicht mit mir. Und so erst recht nicht. Sein ganzes Leben hatte er sich dieser Welt abgetrotzt. Da kannte er sich aus. Da war er auf vertrautem Terrain.

Überrascht entdeckte er, dass er ein wandelnder Widerspruch war. Egal was jemand sagte, er fand ein Position die der geäusserten diametral gegenüber stand. Ich mag das nicht – ach es hat doch auch seine schönen Seiten. Ich mag das – naja, wo Licht ist, ist auch Schatten. So etwas in der Art. Aber auch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Selbst am Trotz und Widerspruch hatte er mittlerweile den Spass verloren.

Kurz danach dachte er noch daran, seine Kinder zu enterben. Schrieb es auf. Zerriss es wieder. Was, in Gottes Namen, konnte er schon vererben? Da war nichts mehr von Wert. Und sein Leben? Keinen Pfifferling war es wert.

Wieso stand er jetzt eigentlich hier? Auf dem Fenstersims? Und fror? Und dachte? Dieses Danachdenken. Es wurde Zeit für einen Schlussstrich. Oft, wenn er glaubte, er könne nicht mehr, hatte er sich mit den Gedanken an seine Kinder getröstet. Halt gefunden. Einen Grund. Einen beschissenen, verdammten, idealisierten Grund.

Worte, ja, Gelaber ja, da waren seine Kinder Meister, wie er selbst. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Klar doch, du bist immer willkommen. Und so. Reine Lippenbekenntnisse. Als er zufällig noch dachte, weil er in der Nähe war, sich bei einem seiner Kinder zu melden, wäre eine tolle Idee, kam nur ein vorwurfsvolles „Was willst du denn hier?“. Er hatte sich aus dem Staub gemacht, bevor noch mehr dieser liebevollen Wörter sein Ohr erreichen konnte.

Einen Abschluss, er musste einen Abschluss finden. Die Sache ging schon viel zu lange und, um es mit Marvin zu sagen, er hatte immer noch diese schrecklichen Schmerzen in der linken Diode.

Deswegen war er hier. Um das alles hinter sich zu lassen. Um dem Trotz zu trotzen. Der ultimative Trotz sozusagen. Wie sollte er sich noch mit Kindern trösten, die einen alten kaputten Mann eher in den Tod trieben als ihm vielleicht mal zu sagen, ist alles nicht so schlimm? Wird schon wieder. Sie waren ja schliesslich nicht seine Eltern. Der Job war nur für die eigenen Kinder bestimmt.

Nein, in solchen Kindern konnte er keinen Trost mehr finden und für alles andere war es nun auch zu spät. Es ist ja nicht so, dass das Alter mit Lebenskraft und Gesundheit einhergeht. Eher entzieht das Alter dir genau diese Sachen.

Genug gedacht, in einem anderen Leben würde er ihnen vielleicht verzeihen können, aber vergessen? Nein, vergessen würde er nie. Ausser er sprang jetzt endlich. Wenn nicht, würde er noch zum Ritter von der traurigen Gestalt. Und Aufmerksamkeit erregen. Doch an dieser Sorte Aufmerksamkeit lag ihm nichts. Die andere Sorte jedoch gab es nicht. Nicht für ihn … also sprang er.

Noch im Fall kam ihm der Gedanke, habe ich da nicht etwas vergessen. Doch, zu spät. Er fiel und die Zeit dehnte sich ins Unermessliche. So ein Schmarrn, dachte er, dass sich das Leben nochmal vor einem abspult, wenn es soweit ist. Alles nur Blödsinn made in Hollywood. Entweder denkt man „Scheisse, ich falle, ich ertrinke, ich … irgendwas“ oder man denkt „War da nicht noch was?“. Und dann ist es schon rum.

Weich landete er auf dem Rasen vor dem Fenstersims. Des Fensters im Erdgeschoss. Die Nachbarn schauten immer noch etwas komisch. Aber er war glücklich. Er hatte es einfach tun müssen. Diesen symbolischen Sprung in ein neues Leben. Das alte hatte er hinter sich gelassen. Es war ihm egal. Es war Geschichte.

Das neue Leben hatte eben erst begonnen!

(Zu Marvin und Hot Black Desiato befrage man den „Anhalter durch die Galaxis“ – ein Buch, auf dem mit freundlichen Worten KEINE PANIK steht.)

Ist Fairness biologisch bedingt?

Wie ich schon in meinem Artikel Der unnötige Zwist zwischen Biologen und Philosophen ausführte, hänge ich seit neuestem der Ansicht an, dass sich Fairness biologisch entwickelt hat. Und zwangsläufig für alles Leben ist, dass auf Zellen basiert.

Ich möchte hier noch mal im Einzelnen darauf eingehen. Der Artikel ist work in progress.

Fairness hat sich möglicherweise aus folgenden Gründen natürlich und biologisch entwickelt:

  • Zellverbände, wie es alles zellenbasierte Leben darstellt, sind auf Kooperation angewiesen.
  • Zellverbände funktionieren nur dann, wenn alle Zellen mit dem benötigten versorgt werden, also fair behandelt werden.
  • Da Zellen an sich unabhängig operieren und auch den Austausch mit anderen Zellen regulieren können, liegt ein ausgleichsbasiertes System nahe, dass man mit dem Begriff Fairness umschreiben kann.
  • Bei verschiedenen Tierarten kann eine Reaktion auf unfaires Verhalten festgestellt werden (siehe auch de Waal und seine Kapuzineraffen).
  • Wenn unser Bauplan, unser Körper, unser Zellverband schon auf einem ausgleichsbasierten Konzept beruht, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieses Konzept auch auf anderen Ebenen benutzt wird.

Egoismus liesse sich dann ebenso aus den Betriebsparametern eines Einzellers ableiten. Absolut notwendig, sozusagen alternativlos.

Wenn Fairness und Egoismus unsere Basisbetriebsparameter sind, dann kann man die Vernunft endlich ad acta legen. Sie ist dann halt nur der rationalisierende Pressesprecher, wie ja vielerorts schon befürchtet wurde. Zumindest solange es uns nicht gelingt, dieses elegante Werkzeug für sinnvollere Angelegenheiten als die Rechtfertigung unseres egoistischen Tuns einzusetzen. Und da Fairness vernünftig scheint, hat unser Pressesprecher immer nur ein Problem, wenn es um den verdammten Egoismus geht. Ist also hauptsächlich damit beschäftigt.

Diese widersprüchlichen Basisparameter wären dann auch eine gute Erklärung für Gut und Böse, überhaupt diesen ganzen Dualismus aus moralischen Widersprüchen. Wenn das der Doktor Faust wüsste …

Wie könnten Beweise für diese These aussehen?

  • Statt einer Petri-Schale wären vielleicht eher rechteckige Behälter, sehr tief, wenig breit angesagt, quasi ein Petri-Quader.
  • An einer Seite erfolgt die Zuführung von Nahrung oder Nährlösung in so geringer Dosierung, dass sie nicht an die andere Seite des Petri-Quaders gelangen kann. Die Nahrung oder Nährlösung muss zudem Marker enthalten, mit denen sie identifiziert werden kann, wenn sie aufgenommen wurde.
    • Bei Einzellern wie z.B. Hefe sollten die Zellen, die weitab von der Nahrungsquelle sind, auch auf Dauer keine Marker der Nährlösung aufweisen. Eher müsste sich an der Quelle der Nährlösung eine grössere Population ergeben (durch Zellteilung wegen Nahrungsangebot)
    • Bei einem Zellverband, z,B, ein Stück Haut, sollte sich dagegen ein anderes Muster zeigen. Ich würde folgende Systematik vermuten: Bis zur Sättigung wird bei den Zellen, die nahe an der Quelle der Nährlösung sind, ein 50-50 Ansatz gefahren, nach der Sättigung wird alles an die benachbarten Zellen durchgeschleust, die wiederum ähnlich verfahren. Nach einer gewissen Zeit sollten also auch die Zellen am entgegengesetzten Ende der Nährlösung eine Sättigung und Markierung aufweisen.
  • Ein Detailprobleme wäre da, dass die Einzeller, wie Hefe oder Pantoffeltierchen, sich innerhalb des Petri-Quaders bewegen und eine Unterscheidung, von wo sie jetzt kommen erschwert wäre. Hier wäre eine Schwelle denkbar, die nicht unüberwindbar ist, sondern nur hemmend wirkt. Oder ein zusätzlicher Marker der sich auf den Ausgangsort bezieht.

 

Der unnötige Zwist zwischen Biologie und Philosophie

Gemäss diverser Biologen ist der Mensch im Wesentlichen durch seine Gene und das Bestreben, diese Gene zu erhalten, egoistisch motiviert. Diverse Philosophen vertreten eher den Ansatz, dass Kultur, Bildung und Erziehung wesentlich wichtigere Faktoren für die Motivation wären, als irgendwelche genetisch begründeten Egoismen und das nicht alles mit Egoismus begründet werden kann.

Wer hat also Recht?

Beide!

Was sonst? Es ist immer nur eine Frage der Perspektive!

Meine Thesen wären:

  • Aus dem Umstand Leben und leben wollen ergeben sich folgende Konsequenzen:
    • Arterhaltende Überlebensstrategien:
      • Reproduktion, Weitergabe des Erbmaterials
      • Fairness
        • Altruismus (arterhaltend)
    • Selbsterhaltende Überlebensstrategien
      • Egoismus
        • Altruismus (langfristiger Egoismus)

Warum das so ist, versuche ich hier mal aufzudröseln und einigermassen logisch zu begründen.

Stärkstes Argument für die Biologen ist natürlich der Fakt, dass ein Aussterben evolutionstechnisch immer ein Misserfolg der Gattung ist. In sofern müsste, wenn das Nicht-Aussterben (wollen wir nicht alle leben, am liebsten ewig?) tatsächlich ein Beweggrund für uns wäre, das Überleben der Gene, der arttypischen Merkmale, für uns eine wichtige Rolle spielen. Wenn wir auf dem Spielbrett der Evolution stehen, dann ist es sogar unsere wichtigste Rolle. Wenn man meinen Annahmen bis hierher gefolgt ist, dann muss das Überleben der Gene eine zentrale Rolle für unsere Gattung spielen. Doch für den Einzelnen ist das Spielbrett der Evolution völlig unrelevant, der hat andere Probleme im Hier und Jetzt.

Und vielleicht will Leben ja einfach auch nur leben und schert sich nicht um morgen? Allerdings muss das Leben, um den Kreislauf aufrecht zu erhalten, sich reproduzieren. Wir sind nun mal nicht unsterblich. Wir sind Biomasse. Auch aus dieser Notwendigkeit heraus betrachtet, muss zumindest die Reproduktion ein wichtiger Faktor sein, ob Gene dabei erhalten bleiben oder auch verschütt‘ gehen, ist eher nebensächlich. Solange die Nachkommen geeignete Gene haben, mit denen sie unter den herrschenden Bedingungen überleben können.

Hier schon mal der erste Dämpfer für die Biologen. Gene entwickeln sich, Gene verändern sich und auch wenn wir jede Menge alten genetischen „Schrott“ mit uns führen, so sind es nicht die Gene, die wichtig sind, sondern die Kombination der aktiven Gene, die die Überlebensfähigkeit prägt oder hervorbringt. Dawkins möge mir verzeihen, aber von einem egoistischen Gen an sich, kann nicht die Rede sein. Eher von einem Wirtskörper, der bestrebt ist, eine bessere oder zumindest gleich gute genetische Kombination zu erzeugen. Einen Nachfahren, der überlebensfähig ist. Welches Gen soll das also genau sein, aus diesem reichhaltigen Genpool, das den Menschen angeblich programmiert?

Aber auch für die Philosophen gibt es nichts zu lachen. Da sie auf dem Spielbrett der Kultur und der Sozialgemeinschaften stehen haben sie zwangsläufig einen anderen Blickwinkel wie die Biologen. Sie denken vor allem in kürzeren Zeiträumen und in vordefinierten Situationen. Zumeist in allzu zwischenmenschlichen Dimensionen. Und natürlich ist es richtig, dass auf ihrem Spielbrett die Regeln der Kultur und Sozialgemeinschaften eine wesentlich höhere Rolle spielen als auf dem Spielbrett der Evolution. Doch schliesst das eine das andere aus?

Warum kann hier keine der Fraktionen das „sowohl als auch“ entdecken? Warum beharrt jede Fraktion auf Meins! Meins! Meins! Es wird massgeblich durch die Biologie bestimmt! Es wird massgeblich durch die Kultur bestimmt! Es ist genetisch vorgegeben! Es ist genetisch nicht vorgegeben! Es ist ja fast schon wie im Sandkasten. Meine Schaufel, deine Schaufel! Dabei sind zwei Schaufeln da und man kann beide benutzen.

Treten wir doch einen Schritt zurück. Was ist überhaupt dieses Leben und kennt es eine Absicht? Da über die Definition, was Leben ist, immer noch gestritten wird, werde ich elegant dieses Thema umgehen und zu einem Punkt kommen, den wir als Mensch einigermassen hinreichend beantworten können. Hat Leben eine Absicht? Da sage ich natürlich und ohne zu zögern ja. Denn eine Absicht ist überall zu entdecken: Die Absicht leben zu wollen. Kein Lebewesen stirbt von sich aus gern. Selbst eine halbgerodete Baumwurzel kann noch mal austreiben, sollten die Bedingungen günstig sein. Leben bedeutet genau das. Zu leben und zwar so lange es einem möglich ist. Aber nicht zu jedem Preis.

Und sollte es einen nicht nachdenklich stimmen, dass das Letzte was sterbende Pflanzen versuchen, die Blüte ist oder das Männer, die erhängt werden, noch mal einen Ständer bekommen?

Da nur Einzeller, die sich durch Teilung vermehren, „unsterblich“ sind, muss jedes Lebenskonstrukt, das aus mehr als einer Zelle besteht, versuchen einen Reproduktionskreislauf aufrecht zu erhalten. Denn dies entspricht der Absicht, leben zu wollen. Wenn man es nicht unendlich kann, dann kann man es vielleicht mit Tricks auf quasi unendlich schaffen. Und die Reproduktion ist so ein Trick.

Es ist ja nicht so, dass diese Absicht Leben zu wollen, eine intellektuell grossartige Leistung erfordert. Jeder der sagt, ich will nicht sterben oder der dem Sterben versucht aus dem Weg zu gehen, erfüllt diese Absicht, ob bewusst oder unbewusst.

Allerdings gilt dies nur, wenn die Funktionstüchtigkeit des Körpers auch gegeben ist. Und keine ausweglose Situation herrscht. Wenn Alter oder Krankheit einen Körper zermürbt haben, wenn das Lamm, wohl wissend, was ihm blüht, sich dem Löwen ergibt, wenn der Hase nicht mehr vor der Schlange wegspringt, wenn die Maus es aufgibt zu fliehen, egal wie oft sie von der Katze in die Luft geworfen wird, dann sind Situationen erreicht, in der die meisten Lebensformen den Kampf aufgeben. Warum auch nicht? Wenn die mögliche Erfolgsrate für Überleben auf ein Unwahrscheinlichkeitsniveau sinkt, warum sollte man noch dagegen ankämpfen?

Und doch wird es immer auch welche geben, die dies genau versuchen. Es gehört nämlich zum Leben, dass es Vielfalt sucht, nicht Einfalt. Das jedes Modell, jede Variante eine Chance bekommt, so klein sie auch sei. Du hast keine Chance, also nutze sie, könnte ein Motto sein, dass die Evolution geschrieben haben könnte, denn sie bewusst wäre.

Wenn wir also annehmen, dass wir, dass das Leben, nur diese eine Motivation hat, dieses „ich will nicht sterben“, wie konnte daraus dann diese Zivilisation entstehen, diese Vielfalt von Leben (die der Mensch nebenbei gesagt, drastisch reduziert), diese Kultur, die alte biologische Instinkte im Menschen ausser Kraft setzen oder umleiten kann?

Denn da ist doch der Knackpunkt, wenn Kultur biologische Instinkte ausser Kraft setzen kann, sogar unwichtig werden lassen kann, wie kann das dann noch biologisch bestimmt sein. Wo ist da der Egoismus?

Und schon bewegen wir uns auf vermintem Gebiet. Egoismus, ein Wort, übel beleumdet. Ein Wort mit vielfältiger Bedeutung. Aus der Perspektive des Biologen wird Egoismus sicher nicht den gleichen Stellenwert haben, wie aus der Perspektive eines Philosophen.

Wenn also Robert Trivers gemäss Precht sagt: „Daher ist der kooperative Mensch alles andere als wahrhaft altruistisch; er hat nur stärker sein langfristiges Eigeninteresse im Blick als das kurzzeitige.“, dann fällt auch Precht in seinem Buch darauf nur folgende Erwiderung ein „Sind wir alle Egoisten, eingeteilt in die kurzfristigen und die langfristigen? Dem Wortsinn nach bedeutet Egoismus »Eigennützigkeit«. Fasst man das Wort so allgemein, dann sind wir sicher alle Egoisten“. Also bemängelt Precht die zu allgemeine Definition, kann es sich dann aber doch nicht verkneifen, eine Seite später zwischen hartem Egoismus und knallhartem Egoismus zu differenzieren. Womit er Trivers quasi wieder Recht gibt.

Und genauso, ungefärbt durch die Moralbrille, denke ich, sehen Biologen in den meisten Fällen den Egoismus. Als »Eigennützigkeit«. Während Philosophen hier auch die Ichsucht und die Selbstsucht verorten. Kulturphänomene, die auch dem Egoismus zugeordnet sind, aber genaugenommen besondere Spielarten des Egoismus darstellen. Sonderfälle im menschlichen Zwischenraum. Jene Fälle die dem Wort Egoismus den schlechten Beigeschmack gegeben haben.

Insofern hat Trivers bereits eine Brücke für die Philosophen gebaut. Vor der ein Precht trotzig stehen bleibt und einige absurde Beispiele anführt, während er sich laufend die dazu passende Definition des Egoismus anpasst und über die Wortdefinition versucht, wieder Oberwasser zu gewinnen.

Wenn Precht versucht, mit Beispielen, wie „Was sind das zum Beispiel für seltsame Menschen, die in einer fremden Stadt einem Kellner Trinkgeld geben? Wer spendet anonym oder opfert sein Leben für Waisenkinder in Ruanda auf?“ den Egoismus zu widerlegen, dann hat er durchaus Recht. Aber nur, wenn man nicht zu genau hinschaut.

Wie heisst es so schön, man sieht sich mindestens zweimal im Leben. Und bei den meisten Menschen, die in einer fremden Stadt sind, wissen wir nicht, ob sie vielleicht noch öfter in diese Stadt kommen werden (da würde sich das Trinkgeld nämlich rentieren) oder ob ihre Bezugsgruppe einfach grösser ist. Sie also Menschen als Menschen erkennen und anerkennen, egal wo sie ihnen begegnen. Und dementsprechend behandeln. Ein langfristige Investition auf interkulturellem Niveau quasi.

Oder auch eine kurzfristige Investition, einfach eine Belohnung für Aufmerksamkeit, gute Bedienung und zufriedenstellenden Service. Lediglich aus dem Grund, weil man dies auch erwarten würde, wenn man in dieser Situation gute Arbeit leistet. Man einfach Erwartungserwartungen erfüllt, um mit Luhmann zu sprechen.

Meist werden ja auch noch soziale Daten ausgetauscht, woher man kommt, was man beruflich macht. Alles Gruppen mit denen der jeweilige Mensch konkret interagiert. Damit wird die Repräsentation, das Ansehen, der Status der jeweiligen Gruppen gestärkt, wenn ein Mitglied dieser Gruppen als freundlich und freigiebig wahrgenommen wird. Man hat zudem etwas zu erzählen, kann sich im besten Lichte darstellen, so man will, hat ein neues Thema für die Beziehungsebene in der Kommunikation usw., Altruismus kann also, wie Trivers meint, durchaus langfristiger Egoismus sein.

Aber ist er das immer? Kommen wir zu dem Beispiel mit dem Menschen, der sich für ein Kind in Ruanda opfert. Schon in der Wortwahl martialisch, aber belassen wir es dabei. Fragen wir auch nicht nach den Gründen. Warum diese Person nach Ruanda geht, wie es in den Bezugsgruppen dieser Person aussieht, welche psychischen und physischen Probleme vielleicht vorliegen. Nehmen wir einfach mal an, jemand würde dies tun. Und sonst gäbe es keine Indikatoren, die dafür sprechen würden, dass sich ein Mensch seinen Bezugsgruppen entzieht, das ein Helfersyndrom vorliegt etc. – also ein klinisch-philosophisch reiner Mensch (denn es nicht gibt, wie ich anmerken möchte). Aber für Spass, nehmen wir es einfach mal an.

Die Argumentation mit dem langfristigen Egoismus funktioniert in dem Fall tatsächlich nicht mehr. Da der Mensch sich opfert, haben auch seine alten Bezugsgruppen keinen Vorteil, er ebensowenig im Bezug auf diese Gruppen. Das Kind in Ruanda ist ihm verwandtschaftlich vielleicht nicht näher als irgendein beliebiger Mensch in China. Aus welchen Gründen könnte dies ein Mensch tun? Vergessen wir nicht, auch Affen betrauern ein Roboteraffenbaby, dass sie als tot erachten, dass aber nicht Mitglied ihrer Gruppe und Familie war. Die Szenerie ist also nicht abwegig.

Könnte es nicht sein, dass es neben dem Egoismus (in seiner neutralen Form), egal ob kurzfristig oder langfristig, noch eine andere Motivation in uns steckt? Eine Motivation die aus der Arterhaltung oder unserem Bauplan herrührt? Wenn man z.B. das Schwarmverhalten von Vögeln und Fischen hernimmt, Flug- und Schwimmmuster, die Fressfeinde verwirren und ablenken sollen, dann ist hier von Egoismus keine Rede mehr. Jeder Vogel, jeder Fisch kann jederzeit Angriffsziel werden. Aber auch die Chancen sind gleich verteilt. Wir haben hier also Konzepte, die eine grössere Population schützen sollen und bei der die Chancen für alle fair verteilt sind.

Wie Experimente von Brosnan und de Waal festgestellt haben, besitzen auch Kapuzineraffen einen Sinn für Fairness. Ich würde hier noch weiter gehen, wer schon mal eine beleidigte Katze oder einen beleidigten Hund gesehen hat, weiss was ich meine. Aber dazu müssen natürlich erst irgendwelche Experimente gemacht werden. Was wiederum unwahrscheinlich ist, weil jedes dieser Experimente mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass immer weniger von der Einzigartigkeit des Menschen übrig bleibt.

Ich stelle also trotzdem die gewagte Behauptung auf, dass Fairness und Egoismus zwei Basisfaktoren sind, die in allen auf Zellen basierenden Lebewesen vorkommen. Ja sogar vorkommen müssen!

Häh, wird jetzt mancher fragen? Egoismus kann ich mir ja noch vorstellen, aber warum sollte alles Leben auch noch auf Fairness beruhen?

Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Das Leben, jedwedes Leben das wir kennen, basiert auf Zellen. Die Ausnahme von der Regel, die es natürlich geben muss, sind Viren. Und dass die nicht fair sind, weiss so ziemlich jeder. Und zellenbasiert sind sie auch nicht. 😉

Nein, Spass beiseite, die Anfänge des Lebens waren Einzeller und später Zellverbände. Für einen Einzeller ist Egoismus ein Muss. Zwangsläufig. Wer ausser dem Einzeller selbst kümmert sich um ihn? Da ist Egoismus zwingend.

Nun gehen wir weiter zu Zellverbänden, erste Bakterienmatten, die sich zusammengefunden, zusammengeballt haben. Wer weiss welche schrecklichen Schlachten in jenen Zeiten geschlagen wurden, bis die Fairness erfunden wurde. Als überlebensnotwendige Fähigkeit!

Nicht alle Zellen sind vielleicht gleich nah an einer Futterquelle. Und werden die anderen Zellen nicht versorgt, löst sich der Verband auf. Als Zellen dann anfingen, dauerhafte Kooperationen einzugehen, sich spezialisiert haben, zu ersten Pflanzen und Tieren, hatten die Zellen gar keine andere Möglichkeit mehr als die Fairness. Alle Zellen hatten ihre Aufgabe und alle Zellen mussten irgendwie versorgt werden, damit der Gesamtorganismus funktionieren kann. Es war ein Gebot der Stunde, dass alle Zellen fair behandelt und mit dem versorgt wurden, was sie benötigten.

Wie man also sieht, ist die Fairness in unsere Körper eingeschrieben. Würden unsere Zellen nicht fair miteinander kooperieren, kooperieren müssen, es gäbe uns schlichtweg nicht. Wir würden nicht funktionieren. Was nützt es, eine funktionsfähige Hand zu haben, aber kein Herz, das schlägt? Was nützt es Augen zu haben, wenn die Nervenleitungen ins Gehirn aufgrund von Unterversorgung verdorrt sind?

Wenn wir also annehmen können, dass Fairness zu unseren Basisparametern gehört, dann sieht ein Altruismus, der sich aus dem Gebot der Fairness entwickelt, anders aus, als ein Altruismus, der ein langfristiger Egoismus ist. Und genau dann ist auch diese Geschichte kein Problem mehr. Der Mann opfert sich aus einem Altruismus heraus, der auf Fairness beruht und den Fokus auf die Arterhaltung und nicht auf das Einzelwesen hat.

Genaugenommen bräuchte die Menschheit mehr von diesem fairen Altruismus, wenn sie wirklich die nächsten tausend Jahre überleben und weiter dominant bleiben will. Wobei unsere Dominanz das eigentliche Problem ist, warum die nächsten tausend Jahre schwierig werden könnten. Aber lassen wir das.

Ich habe also ausgeführt, dass der Egoismus in Einzellern und die Fairness in Zellverbänden begründet sein könnten. Aber warum soll es arterhaltende und selbsterhaltende Überlebensstrategien geben?

Könnte es nicht genau aus dem gleichen Grunde sein? Das wir beides sind? Einzelwesen, die auch kooperative Zellverbände sind? Und die Überlebensstrategien sind je nach Ausgangslage unterschiedlich. Ein Einzelwesen hat andere Handlungsoptionen als ein Zellverband. Wir merken das, wenn unser Körper krank ist. Dann ist der Zellverband betroffen. Dann geht es im weitesten Sinne um Arterhaltung für unseren einzelnen Zellen. Die Strategie ist eine andere. Wie würden nicht darauf kommen, irgendeinem Teil unseres Körpers etwas zu entziehen, wie wir es als Einzelwesen machen würden, wenn wir aus Hunger jemandem anderen das Essen stehlen würden.

Wie haben also dadurch, dass wir Zellverbände sind, schon die Arterhaltung mit im Gepäck. Wir kennen sie. Wir betreiben sie für unseren Körper. Täglich, wenn wir essen, trinken, Sport treiben, schlafen usw. tun wir etwas für die „Arterhaltung“ unserer einzelnen Zellen, die zusammengenommen dann uns als Einzelwesen ergeben.

Von der eigenen „Arterhaltung“ auf die Arterhaltung der Gattung zu schliessen ist jetzt kein grosser Schritt mehr. Ganz im Gegenteil, dieser Schritt wird schon fast zwangsläufig, wenn man sich bewusst macht, dass der Mensch ständig nach Kausalitäten sucht und ständig Analogien bildet, um die Welt um sich herum zu verstehen. Und ob es dafür ein Bewusstsein braucht, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.

Aber es gibt auch noch einen weiteren Grund, zwischen Arterhaltung und Selbsterhaltung zu unterscheiden. Die Reproduktion. Persönlich ziehen wir in den wenigsten Fällen (auch wenn wir es uns gern einreden) einen tatsächlichen Nutzen aus der Reproduktion (wenn man die meisten Männchen bei Spinnen und Gottesanbeterinnen fragen würde, wäre die Antwort bestimmt radikal). Sie dient nicht dem Einzelwesen, sie dient der Art. Genauso wie Fairness nicht dem Einzelwesen dient, sondern der Art, der Gattung, dem Verband.

Und wie soll das jetzt Philosophen und Biologen versöhnen?

Naja, die Philosophen bekommen ihren Altruismus, der nicht auf Egoismus basiert und die Biologen bekommen eine Erklärung, wie sich Fairness biologisch entwickeln konnte. Ist das etwa nichts?

Und die Kultur? Naja, was soll schon damit sein? Sie ist ein künstliches Lebensumfeld, dass neue Bedingungen und Regeln schafft und somit den Faktoren Egoismus und Fairness einiges abverlangt, wie auch zu einigen Entwicklungen führt, die nicht mehr mit herkömmlichen biologischen Strategien bewältigt werden können. Es werden neue biologische Strategien entwickelt und auch in Gene gegossen, die der Umwelt angepasst sind. Und wenn die Biologen neben dem Egoismus auch die Fairness als Faktor berücksichtigen, dürften sich die meisten zweifelhaften Fälle sowieso in Wohlgefallen auflösen.

Ach nein, ich seh euch schon wieder streiten? Vielleicht sollte ich noch ein paar Schaufeln in den Sandkasten tun …

Die seltsam neue Mode des Autismus-Vorwurfs

In den letzten Monaten hatte ich Gelegenheit mehrere Einschätzungen eines Beziehungsende zu hören zu bekommen, von Männern ebenso wie von Frauen. Eine davon betraf sogar mich selbst. Es ist ein sehr kleines Sample, acht  Einschätzungen insgesamt, drei von Männern (wenn ich mich mit einrechne, dann vier), fünf von Frauen. Insofern sind Männer unterrepräsentiert und statistische Verzerrungen sind anzunehmen, schon allein aufgrund der geringen Grösse des Samples.

Extrem in Mode, so scheint mir, ist der Autismus-Vorwurf an einen ehemaligen Partner. Drei von fünf Frauen haben in den letzten Monaten diese Diagnose angewandt, was für mich schon eine interessante und signifikante Steigerung in der persönlichen Statistik ist. Ich kannte dieses Argument in diesem Zusammenhang vorher nicht. Bei den betroffenen Männern scheint sich diese Strategie noch nicht durchgesetzt zu haben. Vielleicht hat es ja mit irgendwelchen Fernsehserien zu tun, die Frauen eher schauen. Oder mit der Flut an Internet-Ratgebern. Wer weiss das schon?

Schauen wir uns doch diese Vorwürfe, verpackt als Diagnosen, mal im Einzelnen an:

  1. Ich selbst war mit einer relativ milden Form konfrontiert, wobei ich nicht weiss, wie meine ehemalige Partnerin das anderen Menschen darstellt. Ich wurde aufgefordert, darüber nachzudenken, ob ich nicht unter dem Asperger-Syndrom leide. Ein Mangel an Empathie wurde auch mir zum Vorwurf gemacht.
  2. Eine Dame beschrieb ihren einen Ex-Partner als autistisch, da es ihm an Empathie mangeln würde und er einmal sogar mehrere Stunden angezogen auf dem Bett gesessen hat und nicht ansprechbar war. Er wäre aber eine nette, zuvorkommende, liebenswerte Person. Ihren anderen Ex-Partner beschrieb sie als einen Alkoholiker, der unter starken Stimmungsschwankungen litt.
  3. Eine andere Dame beschrieb ihren Ex-Partner ebenfalls als autistisch, da es ihm an Empathie mangeln würde. Da wäre jetzt so eine Leere in der Kommunikation. Er wäre aber eine nette, zuvorkommende, liebenswerte Person.

Nun, es mag schon sein, dass alle jene, denen Autismus vorgeworfen wird, diesen auch haben. Ich kann das nicht beurteilen, dazu bin ich zu wenig Fachmann. Doch wenn ich schon kein Fachmann auf diesem Gebiet bin, was macht diese Frauen zu Fachfrauen?

Auffällig ist die Übereinstimmung der Muster einerseits im Vorwurf der fehlenden Empathie und das diese Partner eigentlich liebenswerte Personen seien, vielleicht ist auch noch ein Anklang von „der braucht halt meine Hilfe“ dabei – macht sich ja gut in der Sozialverhaltens-Statistik der jeweiligen Peer-Group – die zuvorkommend wären, alles für einen tun würden und was da nicht noch sonst für Attribute verwendet wurden. Ich rekonstruiere aus der Erinnerung, habe mir keine Notizen gemacht, war auch nicht als Studie gedacht. Insofern sind Fehler in der Wahrnehmung annehmbar. Zudem kenne ich die grob skizzierten Geschichte, ausser meiner eigenen, nur von einer Seite, denkbar schlechte Voraussetzungen für Verallgemeinerungen. Auf diesen Umstand sei nochmal im Besonderen hingewiesen, Verallgemeinerungen aus meinen gemachten Erfahrungen sind nicht zulässig und ebensowenig sinnvoll.

Ein Mangel an Empathie ist an sich kein Kriterium, dass so zu Autismus oder Asperger definiert ist. Doch wie verträgt sich das mit einer liebenswerten, zuvorkommenden Person, wenn wir das so stehen liessen? Stehen nicht jene Eigenschaften diametral einer Autismus-Diagnose aufgrund fehlender Empathie entgegen? Und ist ein Mangel an Empathie gegenüber einer bestimmten Person gleichzusetzen mit einem generellen Mangel an Empathie? Kann überhaupt bei einer Beziehungskrise noch davon ausgegangen werden, dass Empathie im Spiel ist? Ich meine von beiden Seiten. Ist es nicht eher so, dass keine Seite in diesen Momenten viel Empathie aufbringt? Geht es nicht eher um die eigenen Interessen, dass eigene Verletzt-Sein? Empathie? Sucht man in solchen Momenten nicht vergeblich danach?

Hätte es überhaupt zur Krise und zum Streit kommen können, wenn bei einem der Beteiligten Empathie im Spiel gewesen wäre? Wären damit nicht vorher schon alle Missverständnisse aufgelöst worden, bevor sie ein katastrophale Wirkung entfalteten?

Interessant war auch die Beobachtung im Falle von Nummer 2, die innerhalb von zehn Tagen einen solch furiosen Stimmungswechsel hinlegte, dass ich immer noch ganz perplex bin. Und die mit Sicherheit kein Alkoholiker ist, Stimmungsumschwünge aber bis zur Perfektion beherrscht. Was sagt uns das eigentlich über Personen, die einen Vorwurf äussern, eine Diagnose stellen? Besteht eine Wahrscheinlichkeit, das der Vorwurf, die Diagnose ebenso auf die Person zutrifft, die ihn äussert?

Keine der gestellten Diagnosen lieferte mehr als vage Behauptungen, die zudem nur Einzelbereiche der Autismus-Störung abdecken, wenn überhaupt. Wie kann sich jemand ernsthaft versteigen, so eine ernste Diagnose über jemanden zu fällen, nur weil es in der Beziehung nicht mehr klappt? Und vor allem mit so oberflächlichen Argumenten? Wenn man es genau nimmt, erfüllen solche Diagnosen Straftatbestände, sollten sie zu Nachteilen für die betreffende Person führen und nicht zutreffend sein.

Was also ist überhaupt Autismus?

Nun, auf diese Frage habe ich keine fachkundige Antwort, ich habe mich nur etwas mit der üblichen schnell verfügbaren Definition im Netz beschäftigt, als diese Frage an mich gerichtet wurde. Ich gehe Hinweisen zu meiner Person und meinem Verhalten gern nach und versuche mir dann ein Bild zu machen. Man möge mir also verzeihen, dass ich ebenso wenig wie jene, die sich anmassen, Diagnosen zu stellen, in der Lage bin, das Thema fundiert und sachgerecht zu durchleuchten. Dennoch fällt auf, dass selbst eine laienhafte Überprüfung der angegebenen Kriterien die gestellte Diagnose nicht unterstützt.

Derzeit wird zwischen frühkindlichem Autismus, hochfunktionalem Autismus, atypischem Autismus, dem Asperger-Syndrom und der Inselbegabung unterschieden (wie ein Leser bemerkte, gehört die Inselbegabung nicht zum Autismus, auch wenn Wikipedia es so aufführt – wie man sieht, im Netz steht viel, es muss aber nicht stimmen). Für die Klassifikation gibt es ICD-10, DSM-5 und die Differentialdiagnose.  Zudem gibt es noch eine Liste von begleitenden Störungen. Man sieht also, es ist alles andere als einfach.

Den frühkindlichen und den atypischen Autismus können wir in Bezug auf Beziehungen und Partnerschaften vielleicht zur Seite lassen, auch wenn diese möglicherweise relevant für den späteren Verlauf sind. Für die Diagnose erwachsener Personen im Sinne meines Samples scheinen sie mir nicht relevant. Bei erwachsenen Personen, die unter frühkindlichem Autismus leiden, ist es, würde ich meinen, bei der Partnerwahl schon klar, was tatsächlich Sache ist. Ich würde nicht vermuten, dass es derart beurteilt und geschildert würde, wie das in meinem Fall geschehen ist. Aber auch hier kann ich irren.

Gehen wir also mal die Liste der Symptome gemäss Wikipedia (Mit Vorsicht zu geniessen!) durch. Und möge der werte Leser, die werte Leserin versuchen, ehrlich bei sich nachzufühlen, ob es nicht auch schon in seinem Leben Situationen gab, in denen er oder sie sich vielleicht entsprechend verhielt.

Die wenigsten Freizeit-Diagnostiker werden sich den ICD-10 zur Gemüte geführt haben, da diese Informationen nicht wirklich gebündelt und leichtverständlich auftauchen. Wer tiefer eintauchen will, versuche es hier und hier.

Den meisten dürften eher die typischen trivialen Darstellung aus Wikipedia und Ratgebern zur Verfügung stehen. Basierend auf DSM-5. Nehmen wir also diese, anhand Wikipedia, zum aktuellen Massstab für eine solche gewagte Diagnose. Das heisst auch, dass ich hier das nicht ernsthaft untersuchen kann, ich bin, wie gesagt, kein Fachmann, ich kann nur logisch mit dem argumentieren, was man im Netz finden kann und möglicherweise die Quelle für diese seltsamen Behauptungen darstellt.

Ein Betroffener weist auf folgende Definitionen hin, die den Wikipedia-Einträgen nicht unbedingt entsprechen:
Unterschieden wird derzeit in Kanner-Autismus (= frühkindlicher Autismus), Asperger-Autismus und Atypischer Autismus. HFA und LFA (High- und Low-Functioning Autism) sind inoffizielle Funktionslabels beim Kanner-Autismus, die von vielen Autisten abgelehnt werden.
Für Interessierte gibt es auch das AutismusFAQ oder diverse Artikel und Links zu dem Thema.

Wir hätten da in Wikipedia also

  • Anhaltende Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion über verschiedene Kontexte hinweg.
    • Ich schätze mal, den meisten Lesern entgeht dieser kleine aber wichtige Zusatz: über verschiedene Kontexte hinweg. Zudem kann man diesen Punkt nicht einfach mit Mangel an Empathie übersetzen. Und wenn wir die Symptome im Einzelnen betrachten, so wäre es doch eher untypisch, wenn einem das nicht auch schon mal widerfahren wäre.
      • Defizite der sozial-emotionalen Gegenseitigkeit (z. B. ungewöhnliche soziale Annäherung; fehlende normale wechselseitige Konversation, verminderter Austausch von Interessen, Gefühlen und Affekten)
        • Jetzt erinnere sich doch jeder bitte an die letzte Beziehungskrise? War da die soziale Annäherung normal? Oder hat man sich vielleicht zurückgezogen oder gar geschimpft, hat man sich in der Situation der Anspannung und des Stresses normal verhalten? War die Konversation wechselseitig und normal? Oder war es eher normal, dass Vorwürfe wechselseitig über den Tisch geflogen sind oder das grosse Schweigen herrschte? Hat man in Krisensituationen weiter den Austausch von Interessen, Gefühlen und Affekten gesucht oder musste man erstmal die Situation einordnen, hat diesen Austausch zurückgefahren, da jede Kommunikation mit Tretminen belastet war?
      • Defizite im nonverbalen Kommunikationsverhalten, das in sozialen Interaktionen eingesetzt wird (z. B. weniger oder kein Blickkontakt bzw. Körpersprache; Defizite im Verständnis und Gebrauch von Gestik bis hin zu vollständigem Fehlen von Mimik und nonverbaler Kommunikation)
        • Trete nun doch jener hervor, der in einer Beziehungskrise immer und jederzeit den Blickkontakt gehalten hat und auch seine Mimik adäquat eingesetzt hat. Und wer kennt nicht das Pokerface, die eingefrorene Mimik, in der man nichts mehr preis gibt? Insbesondere in schwierigen Situationen?
      • Defizite in der Aufnahme, Aufrechterhaltung und dem Verständnis von Beziehungen (z. B. Schwierigkeiten, eigenes Verhalten an verschiedene soziale Kontexte anzupassen, sich in Rollenspielen auszutauschen oder Freundschaften zu schließen)
        • Ich würde jetzt gern die Einschätzung aller Paare mit Kindern darüber hören, was mit ihrem Freundeskreis passiert ist. Ist es nicht so, dass dieser Freundeskreis sich ausdünnt, wenn man nicht mehr an den Orten zu den Zeiten ist, an denen man früher war? Hatten sie etwa Schwierigkeiten bei der Aufnahme, Aufrechterhaltung und dem Verständnis von Beziehungen?
        • Neue Freundschaften schliessen, auch ein interessantes Thema in einer Beziehung, besonders wenn vielleicht ein Partner unter Eifersucht leidet. Wie normal ist es dann noch, eine neue Freundschaft zu knüpfen? Können dann überhaupt noch Freundschaften auf Basis der eigenen Person geknüpft werden oder tritt man in dieser Angelegenheit fortan als Paar auf? Weil alles andere zu Spannungen führen würde, die man gern vermeiden möchte?
        • Eigenes Verhalten an verschiedene soziale Kontexte anpassen ist ja nun das Beliebigste überhaupt. Man nehme nur mal die Situation, ein Paar begibt sich an einen Ort und einem Partner gefällt die Location nicht. Ist dann jedes „Hier gefällt es mir nicht, lass uns woanders hingehen“ ein Symptom für Schwierigkeiten, sich verschiedenen sozialen Kontexten anzupassen?
    • Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten, die sich in mindestens zwei der folgenden aktuell oder in der Vergangenheit erfüllten Merkmalen manifestieren.
      • Man beachte hier, dass mindestens zwei Merkmale erfüllt sein müssen. Wenn ich es richtig verstehe, dann auch noch zusätzlich zu den anderen Merkmalen. Ich denke mal, auch dies wird vielleicht gern übersehen.
        • Stereotype oder repetitive motorische Bewegungsabläufe; stereotyper oder repetitiver Gebrauch von Objekten oder Sprache (z. B. Echolalie, Aufreihen von Spielzeug, Hin- und Herbewegen von Objekten, idiosynkratrischer Sprachgebrauch)
          • Jeder, der sich jetzt das Bild z.B. von einer nikotinabhängigen Person vorstellen kann, die gerade in der Beziehungskrise steckt, wird dass Verhalten, wie Zigaretten dann geraucht werden, unter repetitive motorische Bewegungsabläufe einordnen können. Und gibt es da nicht diese chinesischen Kugeln, die man in der Hand bewegen soll, damit man sich entspannt oder beruhigt? Ist es nicht eher normal, wenn Adrenalin ausgeschüttet wird, man aber nicht in der Lage ist, gerade mal schnell einen 100m Spurt zum Abbau des Adrenalins zu machen, dass man dann in repetitive Bewegungsabläufe verfällt?
        • Festhalten an Gleichbleibendem, unflexibles Festhalten an Routinen oder an ritualisierten Mustern (z. B. extremes Unbehagen bei kleinen Veränderungen, Schwierigkeiten bei Übergängen, rigide Denkmuster oder Begrüßungsrituale, Bedürfnis, täglich den gleichen Weg zu gehen)
          • Jetzt mal ehrlich, wieviele Leute gehen nicht täglich denselben Weg? Ob es zur Arbeit ist oder die Einkaufsroutine am Wochenende? Wer kann da sagen, dass er ständig neue Wege ausprobiert?
          • Und wie sieht es hier mit Ritualen aus? Der tägliche Kaffee oder Tee am Morgen, der der ohne Frühstück nicht aus dem Haus kann und der, der sich wäscht, fertig macht und zur Tür raus ist, bevor man es bemerkt, wer hat keine solchen Rituale? Und sind unsere Grosseltern, bei denen man meistens sagt, nun, die sind halt so, dass wird sich nicht mehr ändern, die brauchen halt ihre Rituale, sind also unsere Grosseltern dann allesamt Autisten?
          • Unbehagen bei Veränderungen, na dann nehmen wir mal eine Veränderung. Da wird die Lieblingsjeans, die natürlich nicht mehr passt, aber aus sentimentalen Gründen noch behalten wird, heimlich entsorgt. Das soll kein Unbehagen wert sein? Nicht wegen der Veränderung, sondern wegen dem Übergriff auf die eigene Persönlichkeit. Ohne gefragt zu werden. Und auch, wenn jemand solange in WG’s gelebt hat wie ich, ist die Veränderung bezüglich der Auffindbarkeit von alltäglichen Gegenständen ein Thema. Natürlich geht man jedesmal vor dem Kochen erstmal alle Gegenstände und Dinge suchen, die man so braucht. Einschliesslich irgendwelcher Teller, die in irgendwelchen Zimmer ungespült vor sich hingammeln. Das dies auf die Dauer vielleicht irgendwann ein Unbehagen erzeugt, wer bitte kann das nicht nachempfinden?
        • Hochgradig begrenzte, fixierte Interessen, die in ihrer Intensität oder ihrem Inhalt abnorm sind (z. B. starke Bindung an oder Beschäftigen mit ungewöhnlichen Objekten, extrem umschriebene oder perseverierende Interessen)
          • Schwieriges Thema, denn um zu wissen, was abnorm ist, müsste die Norm geklärt sein. Aber das ist sie nur selten. Und treten nicht auch in normalen Beziehungskrisen, die länger dauern, solche Effekte auf? Der eine putzt wie blöd, der andere spielt ein Ballerspiel, der eine besäuft sich, der andere vergräbt sich in seine Briefmarkensammlung oder seine Lieblingsserie oder was auch immer? Man flüchtet in Arbeit, Drogen, Unterhaltung. Mit zweitweiser abnormer Intensität. Oder etwa nicht?
        • Hyper- oder Hyporeaktivität auf sensorische Reize oder ungewöhnliches Interesse an Umweltreizen (z. B. scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber Schmerz oder Temperatur, ablehnende Reaktion auf spezifische Geräusche oder Oberflächen, exzessives Beriechen oder Berühren von Objekten)
          • Ich schätze mal, dass dieser Punkt eher selten in die Freizeit-Diagnose einbezogen wird und wenn zutreffend, möglicherweise, sofern noch mehr Kriterien hinzukommen, ein Anzeichen für Autismus sein könnte. Andererseits, man stelle sich einfach nur mal wieder dieses Geräusch vor, wenn die Kreide abbrach und der Lehrer mit Kreide und Fingernagel ein recht nervendes Geräusch erzeugte. Es gibt ja durchaus einige, denen das nie etwas ausgemacht hat. Sind die anderen jetzt alle Autisten?
      • Die Symptome müssen bereits in früher Kindheit vorliegen, können sich aber erst dann voll manifestieren, wenn die sozialen Anforderungen die begrenzten Möglichkeiten überschreiten. (In späteren Lebensphasen können sie auch durch erlernte Strategien überdeckt werden.)
        • Tja, das ist ein Killer, liebe Freizeit-Diagnostiker. Wobei ich wetten könnte, dass die meisten bei den Kategorien oben schon aufgehört haben zu lesen. Denn wie sicher seit ihr Freizeit-Diagnostiker euch über die Kindheit eures Partners? Wisst ihr diesbezüglich von Verhaltensauffälligkeiten? Wenn nicht, bewegt ihr euch auf extrem unsicheren Gelände!
      • Die Symptome müssen klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen
        • Und wieder ein absoluter Killer. Klinisch bedeutsames Leiden, liebe Freizeit-Diagnostiker! Klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen! Solche Symptome sind jedoch nicht leicht zu erkennen, fallen also durchaus erst spät auf, wie mich ein Betroffener informierte. Ich würde also annehmen, dass auch eine Eigendiagnose des Betroffenen vorliegen sollte, bevor man sich zu einer solchen Diagnose über andere versteigt.
      • Die Symptome können nicht besser durch eine Intellektuelle Beeinträchtigung oder eine Allgemeine Entwicklungsverzögerung erklärt werden. Intellektuelle Beeinträchtigungen und Autismus-Spektrum-Störungen treten häufig zusammen auf. Um die Diagnosen Autismus-Spektrum-Störung und Intellektuelle Beeinträchtigung gemeinsam stellen zu können, sollte die soziale Kommunikationsfähigkeit unter dem aufgrund der allgemeinen Entwicklung erwarteten Niveau liegen
        • Auch hier wieder ein Killer für alle Freizeit-Diagnostiker. Wenn die soziale Kommunikationsfähigkeit unter dem aufgrund der allgemeinen Entwicklung erwarteten Niveau liegen sollte, wie konnte dann überhaupt eine Beziehung entstehen? Kommuniziert ihr auch unter Niveau, möchte man da fast spotten, wenn es nicht so tragisch wäre. Ergänzend, mit Unterstützung eines freundlichen Twitter-Users, der unter Autismus leidet, möchte ich für dieses Kriterium noch anmerken, dass wir es hier nicht mit Autismus allein zu tun haben, das „und“ ist hierbei wesentlich und leicht zu übersehen.

Also nochmal, liebe Leser, lasst die Finger davon irgendeinem Ex-Partner irgendeine Krankheit anzudichten oder diese diagnostizieren zu wollen!

Es ist schon hart genug für jene, die tatsächlich davon betroffen sind. Selbst Experten sind sich da oft nicht einer Meinung. Und wenn es nicht stimmt, dann fällt das sogar in strafrelevante Bereiche wie Verleumdung und üble Nachrede.

Falls ihr den Verdacht haben solltet, erkundet vielleicht zuerst bei euch, wie es um Empathie und anderes steht. Denn wie heisst es so schön: Der Dieb erkennt immer seinesgleichen. Will heissen, was man an anderen erkennt, muss man auch kennen, sonst könnte man es nicht erkennen. Wie ja auch oft Vorwürfe mehr mit einem selbst zu tun haben, als mit der Person, an die sie gerichtet sind.

Hier noch ein Link, bereitgestellt von einem Betroffenen, zum Thema Empathiemangel.

Der gute Kannibale

Eine Parabel über Gut, Böse und jedwede Moral …

Einst, lang ist es her, lebte ein fröhliches Volk jenseits der Berge. Ihr wisst schon, jene Berge, die niemand zu erklimmen wagte. Jene Berge, die in einem gewissen Ruf standen …

Und eigentlich waren jene, hinter den Bergen, doch vor den sieben Zwergen, gar nicht so besonders, so anders. Ausser das sie hinter den Bergen lebten.

Und das sie gern Menschenfleisch verzehrten.

Jener, der einen Bewohner eines anderen Dorfes erbeutete, genoss hohes Ansehen. Ja, es gab da mehrere Dörfer und natürlich, da sie ja hinter den Bergen lebten, waren sie alle mehr oder weniger vom gleichen Schlag …

Säuberlich reihte man die Knochen der Beute auf. Nun ja, sagen wir, was davon übrig blieb. Was nicht zu Nadeln, Löffeln, Marksuppe oder sonst wie verwendet oder verkocht wurde. Okay, eigentlich blieben meist nur die Zähne übrig. Meist.

Aber das ist ein anderes Thema und eine andere Geschichte.

In diesem Stamm gab es einen Jüngling. Wie immer. Es gibt doch immer einen Jüngling? Vielleicht auch noch eine Jungfrau? Gern, natürlich war er in sie verliebt, oder? Fragen wir Disney? Jetzt? Schon jetzt? Nie im Leben! Er hasste sie! Es war unmöglich das sie je zusammen kämen. Naja, vielleicht liebte er sie ja auch, wer weiss schon so genau, wo Hass aufhört und Liebe anfängt, oder umgekehrt. Wie’s beliebt. Schnell noch einen Zoom auf das Gesicht des Jünglings.

Ebenholz. Hart. Und doch weich.

Ach lassen wir das, ist doch eh nur Emotionstheater. Aber man heult jedesmal, oder? Ehrlich …

Egal, der Jüngling, machte sich so seine Gedanken. Die verhasste geliebte Jungfrau, das Ansehen im Stamm, die schlimme Verpflichtung der Sohn des Häuptlings zu sein … dieses spezielle „ich bin was Besonderes und zwar von Geburt – nichts was du je erreichen könntest“, wann hätte es je in Hollywood gefehlt?

Das wirklich Blöde war, dass dieser Jüngling, nennen wir ihn einfach mal Fichte, dass also Fichte wirklich, wirklich, wirklich gut sein wollte. So wie es die Stammesregeln seit alter Zeit bestimmten. Seit der Zeit, genau genommen, seit der man über die Berge geflohen war und auf einmal mit vielen Menschen, aber wenig Nahrung konfrontiert war, aber auch das ist eine andere Geschichte …

Wo war ich? Ach ja, der junge Fichte, Er wollte einer der Besten werden. Er wollte die Regeln so erfüllen, wie sie gemeint waren. Er wollte einfach allen ein leuchtendes Vorbild seines Stammes werden.

Und natürlich hoffte er heimlich, aber das durfte er niemandem verraten, damit das Herz seiner vielgehassten geliebten Jungfrau zu erringen. Auf das sie alte Frauen und Männer würden? Nein, halt! Da macht Disney nicht mit und ich auch nicht. Ein Jüngling denkt doch nicht über seine Endlichkeit nach. Über gemeinsames Verwelken … oh nein … im Geiste ist das schön romantisch … forever young oder so.

Gut, er dachte also nicht daran. Sondern eher daran, wie er jetzt jene beeindrucken könnte, die er eigentlich nur deshalb haben wollte, weil sie ihn so sehr verachtete. Aber mal ehrlich, wer würde einem das abnehmen?

Und, egal wie man es drehte oder wendete, es war alles eine Frage von Gut und Böse. Böse waren natürlich jene hinter den Bergen. Wer denn sonst? Jene, die man mied wie die Pest.

Man selbst gehörte zu den Guten. Wie nicht? Selbst die Dörfer in der Umgebung, die man immer wieder überfiel, waren noch besser als dieser Abschaum hinter den Bergen. Schauergeschichten machten die Runde. Ein dunkler Schatten breitete sich aus, wenn die Berge im Zwielicht näher rückten. Fast greifbar schienen.

Ach, ich Tolpatsch, jetzt habe ich doch glatt vergessen, von dem anderen Jüngling zu erzählen. Der hinter den Bergen. Also aus der Sicht von Fichte. Aus der Sicht dieses Jünglings, wie sollen wir ihn nennen? Hegel vielleicht. Vielleicht hiess er auch anders, egal, aus Hegels Sicht war natürlich Fichte hinter den Bergen.

Wie das Leben aber auch manchmal so spielt? Hegels Geschichte ist eigentlich nicht so viel anders. Er liebte seine Jungfrau vielleicht mehr und hasste weniger. Aber wer weiss, vielleicht war es umgekehrt oder auch ganz anders. Wie auch immer, Hegel wie Fichte, sie wussten, sie würden Bedeutendes vollbringen.

Ja, klar, vollbringen müssen. Muss es natürlich richtig heissen. Erfolgsdruck. Immer. Egal wo. Einfaches Leben? Viel Spass mit Termiten. Keine Frau? Viel Spass bei der Arbeitssuche … äh, wo war ich, ach richtig. Diese jungen Bengels.

Ihr könnt euch nicht ausmalen, was die beiden sich ausgedacht hatten. Oder? Ach Mist, ihr könnt es, zu viele Filme gesehen. Mannomann.

Okay, ihr bekommt es trotzdem, ihr habt es so gewollt. Na? Klar … so klar wie Klossbrühe … also ich frage mich ja immer, ob der, der diesen Spruch zuerst gemacht hat, je ne Klossbrühe gesehen hat, wie auch immer … sie machten sich also bereit für eine grosse Wanderung.

Ha, habt ihr jetzt gedacht, für den Marsch hinter die Berge? Ein paar Tricks habe ich schon noch drauf. Gut, egal.

Als sie also bereit waren, wir überspringen jetzt einfach den lyrischen Teil mit der tollen Beschreibung wie sie sich gekleidet haben, wie sie aussahen, dieses ganze Geflenne und Getue, echt jetzt, schaut euch nen Disney-Film an, wenn ihr das haben wollt. Die können das. Ja was glotzte jetzt so. Klar können die das.

Die beiden also auf ihrem Weg. Dem Weg, den noch niemand gegangen ist. Zumindest hatten sie den Vorteil, das niemand sich konkret daran erinnerte. War es doch so bequem … vor den Bergen. So kuschelig. Es passte schon alles irgendwie. Klar, der Müll wurde immer mehr. Aber aus den Ratten konnte man echt gute Burger machen.

Eine weitere erstaunliche Koinzidenz. Ratten-Burger waren hinter den Bergen und hinter den Bergen beliebt. Ihr versteht?

Nun, natürlich kommt jetzt ne umständliche Beschreibung wie die Jungs sich so lange um die Berge rum mogelten, bis sie dann, bei der Überquerung, nicht auf einander trafen. Sagte ich nicht? Ja, verdammt noch mal.

Sie liefen voll aneinander vorbei. Das mag man sich gar nicht ausdenken, sowas!

Um es kurz zu machen, diese Geschichte geht ja eh schon viel zu lang … nicht? Selbst Schuld sag ich nur.

Okay, Hegel kommt jetzt bei den Menschenfressern vorbei. Oder ist Kannibale angenehmer im Klang? Das Ohr isst mit? Wie man so schön sagt. Naja, er kommt da vorbei, ihr wisst ja, ich mag den romantischen Quatsch irgendwie nicht so, ja, da hat er tolle Abenteuer, ist voll der Held, dem Fichte geht es übrigens nicht anders, halt nur hinter den Bergen, sozusagen …

Also Hegel schleppt die Alte von Fichte ab und umgekehrt. Keiner hat auch nur nen blassen Schimmer. Okay, war jetzt die sehr saloppe Form, zumal die Jungfrauen ja noch gar nicht so alt sind. Wer weiss auch wie alt sie werden?

Ah … höre ich da ein leises Raunen. Schau mer mal …

Sie kommen also voll stolz mit ihrer Beute heim und was denkt ihr? Klar! Alles in Aufregung! Panik pur. Hegel hat ne neue Liebste und Fichte hat ein neues Essen aber keine Braut mehr. Was ein Theater sag ich euch.

Aber das Beste kommt noch. Jeder von ihnen war voll der Gute. In seinem Stamm. Die Beute-Jungfrau von Fichte war sozusagen in aller Munde, wie auch die Beute-Jungfrau von Hegel. Gut da in einem anderen Sinne.

Und eigentlich begannen die wirklichen Probleme erst dann, als Hegels Jungfrau einen Menschen zum Essen begehrte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Und ihr wisst ja, jedes Wort ist gelogen aber alles ist wahr. So wahr mir Gott helfe oder wer auch immer gerade Zeit hat.

Zeit? Habe ich euch schon die Geschichte von der Zeit erzählt …

Ach nee, das ist ja jetzt blöd, der Titel passt ja gar nicht mehr. Wie habe ich den Fichte nur so verkommen lassen. Nehmt es locker, Fichte war doch klar der gute Kannibale, wer trauert schon darum, dass der gute Andere, wie hiess er noch, Hegel ein bisschen mehr Licht abbekommen hat?

Schlaft gut … 😉

K.I or not to be

Jetzt hat also eine Google KI eine KI gebaut, die alles übertrifft was Menschen hätten bauen können und bald nicht mal mehr von Menschen verstanden werden wird.

So weit, so gruselig.

Ich glaube nicht, dass wir hiermit ein Terminator-Szenario haben, da sind autonome Killerroboter besser dafür geeignet. Ich glaube wir haben hier ein Szenario, dass die Grundfesten des Menschen und seinen Glauben an seine herausragende Stellung in der Natur erschüttern wird. Philosophen werden sich weinend abwenden, ob der Trivialität, die der Mensch darstellt, vermessen von einer Maschine, die zwar keinen objektiven Standpunkt hat, aber auch keinen menschlichen.

Es ist ja schon aussagekräftig genug gewesen, dass Algorithmen anhand von zehn Likes einen Menschen recht gut bestimmen können. Noch ein paar mehr und die Algorithmen kennen den Menschen besser, als dessen Partner ihn oder sie oder es kennt.

Nun kommen Maschinen ins Spiel, die von Maschinen gebaut wurden und die den Menschen neu vermessen. Unerbittlich, ohne menschliche Gefühlsduselei, kalt, analytisch. Und die Ergebnisse werden eben nicht so leicht wegzudiskutieren sein, wie Hypothesen und Annahmen, da sie die naturwissenschaftliche Prämisse erfüllen, zutreffende Voraussagen zu machen.

Das wird ein Heulen und ein Zähneknirschen wenn der Kaiser nackt da steht. Wie man zu dem ja weiss, reagiert der Mensch gern allergisch auf alles, was sein Weltbild ruiniert. Es bringt den Menschen entweder zu Fall oder bestärkt ihn in seinem eigenen Weltmodell, selbst wenn das Gegenteil klar auf der Hand liegt.

Am einfachsten wird es wohl für jene sein, die sich da sowieso nie Gedanken gemacht haben. Doch die Götter, die einen neuen Gott geschaffen haben und von ihrem Thron gestossen werden, jene, die noch meinen, dass es sie nicht betreffen könnte, werden bitterlich im Tartarus auf Rache sinnen und trotzdem nicht wissen wie ihnen geschah.

Jo mei … und so beginnt es!

Der Google-„Terminator“

Muss ein Philosoph verrückt sein?

Eine leichte Frage, die man ohne zu zögern mit einem eindeutigen Ja beantworten kann, flüstert mir meine Hybris ins Ohr.

Ich werde euch auch sagen warum, flüstert sie weiter.

Verrückt ist nicht dasselbe wie irre oder wahnsinnig. Wie die Wörter in ihrer Bedeutung schon aussagen, kommt irre oder Irrsinn klar von irren, insbesondere sich selbst. Wahnsinn erläutert sich auf die gleiche Weise, man hängt einer wahnhaften Idee an, ist fixiert auf diese.

Dagegen ist verrückt, wenn man es richtig liest – ver-rückt – erst einmal eine wertfreie Feststellung, die einfach eine Aussage über den gedanklichen Standort einer Person im Verhältnis zur Gesellschaft macht. Wer aus den normalen Denkschemata herausfällt, sozusagen in seiner Position verrückt wurde, hat einfach eine andere Perspektive auf die Dinge. Ob diese Sichtweise richtig ist, sei dahingestellt, denn auch wenn sich eine Mehrheit einig ist, so bedeutet dies doch nicht, dass ihre Perspektive richtig ist.

Wobei wir noch einen Schritt weiter gehen müssen. Denn richtig und falsch sind tückische Begriffe. Was dem einen in dem entsprechenden Zeitalter als richtig erschienen ist, erschien dem anderen in einem anderen Zeitalter falsch. Richtig und falsch kann man zwar versuchen, auf das Individuum abzustellen, und behaupten, alles war solange richtig, solange das Individuum durch die Folgen seines Handels nicht zu Tode gekommen ist. Doch hier mag jemand mit der Perspektive Gattung gut und gern behaupten, dass dem nicht so wäre. Denn wenn das Handeln eines Einzelnen den Bestand der Gattung gefährdet, dann kann dies kaum richtig sein. Und wie wir schon erkennen können, liegt die Crux in der letzten Behauptung darin, dass für eine solche Beurteilung Zeiträume vergangen sein müssen, die unser Lebensalter überschreiten.

Soviel in Kurzfassung zum Thema richtige Perspektive. Es gibt keine. Temporär kann eine Perspektive gewinnbringender sein, für das Individuum, für die Gesellschaft, für die Umwelt, für was auch immer, langfristig wird es nie DIE EINE richtige Perspektive geben. Ich wage sogar zu behaupten, dass mit der Vielzahl der Perspektiven eine bessere, aber nicht vollständige und erst recht nicht richtige Wahrnehmung der Welt möglich sein kann.

Zurück zum Thema, warum sollte gerade die Andersartigkeit der Perspektive ein MUSS sein? Für einen Philosophen?

Nun, ich stelle mich rotzfrech hin und behaupte, hätte ein Philosoph die gleiche Perspektive wie die Mehrheit, ohne alternative Sichtweise, die ihn aus den Mehrheitsperspektiven isoliert (seien wir ehrlich, die Mehrheit hat nicht nur eine Sichtweise, aber es gibt kulturelle Abmachungen, die bestimmte Perspektiven als vorherrschend kennzeichnen – um nur ein paar Perspektivdissonanzen aufzuzeigen, haue ich einfach mal die Schlagwörter 9/11, Kollateralschaden, friedenssichernde Massnahmen, Impfpflicht, Massentierhaltung … in die Runde), ihn oder sie oder es quasi ver-rückt macht, so hätte er keinen Grund, überhaupt über die gängigen Perspektiven nachzudenken. Noch nicht einmal, sie anzuzweifeln.

Denn was so euphemistisch als Liebe zur Weisheit daherkommt, ist doch letztendlich nur die Unfähigkeit oder der Unwillen zur Machtergreifung.

Hoppala, wird jetzt vielleicht der ein oder andere anmerken, dass war jetzt aber ein weiter Sprung. Und ich werde darauf antworten, ja, das war er.

Um das zu erläutern, hole ich noch etwas aus. Ich behaupte nicht nur, dass Philosophen verrückt sind, sondern auch alle, die erfolgreich die Macht an sich reissen oder es überhaupt versuchen. Seien es Könige, Despoten, Händler, Unternehmen, wer auch immer. Allen ist gemein, dass sie eine andere Perspektive, eine andere Sichtweise, etwas erkennen lässt, dass den anderen augenscheinlich verborgen bleibt. Und das sie versuchen, mehr oder weniger erfolgreich, diese neue Sichtweise zu ihrem Vorteil auszunutzen und somit auch nur den animalischen Trieben frönen, die da heissen: Ich wär so gern ein Alphatier!

Nehme ich also an, dass meine abenteuerlichen Behauptungen auch nur halbwegs stimmen würden, dann kann daraus nur geschlossen werden, dass Philosophen aufgrund ihrer Verrücktheit die Möglichkeit zur Machtergreifung hätten (ich glaube, es gab mal einen, der das demonstriert hat, in wirtschaftlicher Hinsicht, man frage Precht zu den Details – und nein, es war nicht Locke, wenn man den moralischen Begriff verwenden mag, kann man ihn zu den gefallen Philosophen zählen, zu denen, die einen Glauben etabliert haben), sie aber (möglicherweise bewusst) nicht nutzen. Ob es sich jeweils um Unfähigkeit, Unwillen oder ein Mischung aus beiden handelt, möge jeder Philosoph mit sich selbst ausmachen.

Letztendlich ist ja die Ratsherrenposition und nirgendwo anders ist die Philosophie zu verorten, mit all ihren idealen Staaten und Gedanken, wie man es besser und effektiver machen kann, die weitaus ungefährlichere Position, als die des Alphatierchens. Der Hauptzorn gilt dem Alphatier, wenn etwas schief geht, nicht dem Einflüsterer, sofern das Alphatier nicht schlau genug ist, den Einflüsterer als Schild zu benutzen und der Einflüsterer dumm genug, dies mit sich machen zu lassen. Selbst die Naturwissenschaften, Abkömmlinge der Philosophie, dienen hier im Wesentlichen nur als Maschinen zur Generierung neuer Perspektiven für die Mächtigen oder die, die es werden wollen. Da sie sich derzeit nicht direkt in der politischen Schusslinie befinden, im Moment noch die cleverste Position, aus evolutionärer Sicht gesehen.

Doch, wie die Geschichte bisher zeigt, fehlt es im grossen und ganzen an moralischer Verantwortung gegenüber der eigenen Gattung, was Erfindungen respektive neue Sichtweisen betrifft. Obwohl das geschichtliche Wissen mehr als nahelegt, dass jede Erfindung primär zu militärischen Zwecken eingesetzt wird, bzw. das Militär das erste ist, welches die militärische Eignung prüft, stellte sich zu keiner Zeit ein Umdenken ein. Was ob der kriegerischen Natur des Menschen auch nicht zu erwarten ist.

Und auch das gehört dazu, ver-rückt zu sein. Nicht zu erkennen, welche Folgen die eigene Perspektiven auf andere Menschen oder einen selber haben wird. Ob wir jetzt Aristoteles, Sokrates, die Sagengestalt Jesus, Newton, Einstein oder wen auch immer nehmen. Erkenntnis kommt nun mal danach. In einem Universum, in dem die Zeit nur in eine Richtung fliesst und die Lebenserwartung begrenzt ist, ist so etwas zwangsläufig. Und andere Sichtweisen führen zu anderen Schlussfolgerungen, insbesondere, da der Mensch ja nur von sich selbst auf andere schliesst, bzw. nur schliessen kann. Was oft schon fatale Folgen gehabt hat.

So, Schluss mit den Verrücktheiten. Legen wir das verrückte Thema als kleinen Denkanstoss an die Philosophie beiseite.

Ich selbst würde ja nicht soweit gehen, mich als Philosophen zu bezeichnen. Ich denke einfach nur verquere Gedanken und bin möglicherweise ziemlich verrückt. 😉

Zu guter Letzt, wie immer, dass war alles nur eine Gute-Nacht-Geschichte. Kein Wort davon stimmt und jedes Wort ist wahr. Wie sollte es auch anders sein?

 

Der unbewegte Beweger – eine Gute-Nacht-Geschichte

Es war einmal … fangen nicht alle Geschichten so an? Seien wir tollkühn und behaupten, es war vielleicht einmal ein kleiner Junge namens Jonah.

„Mama?!“
„Ja, mein Sohn?“
„Mama, ich … ich … Mama, die anderen Jungs … Mama … ich … ich will auch so einen Universum-Baukasten … ich … wie … die anderen haben … das … doch auch, Mama?“

Weder Jonah noch seine Mutter konnten seinerzeit ahnen, aber ist das nicht immer so, dass es nachher heisst „Wer hätte das denn ahnen können?“, nun, beide hatten nicht den blassesten Schimmer, welch Aufruhr dieser Dialog zwischen einer Mutter und einem knapp 6-jährigen Kind noch auslösen würde.

Jonah bettelte schon seit Tagen. Alle in seiner Spielgruppe hatten so ein Ding, so einen Universum-Baukasten. Und alle waren begeistert, obwohl noch niemand ein Universum hervorgebracht hatte, das länger als einen Tag hielt. Aber es war DER Renner diesen Sommer. Und, wie es nun mal so ist, wurden alle schief angeschaut, die noch immer keinen Universum-Baukasten hatten. So auch Jonah.

Was Jonah überhaupt nicht gefiel. Hätte er gewusst oder auch nur erfahren, wieviele Verehrer er einst haben würde, wäre vielleicht überhaupt nichts passiert. Denn wie alle wissen, ist jede geträumte Zukunft eine Zukunft, die mit höchstwahrscheinlicher Sicherheit nicht passieren wird.

Zumindest nicht so!

Und jede Zukunft, die einem bekannt werden würde, ist eine Unmöglichkeit. Nicht, dass sie nicht hätte passieren können, doch das Wissen auch nur eines einzelnen Wesens um eine solche Zukunft, würde genau eine solche Zukunft verhindern. Zukunft und Anti-Zukunft für die Gebildeten unter uns.

Aber halten wir uns nicht mir Trivialwissen auf. Zurück zu Jonah.

„Mama?!“
„Ja, mein Sohn?“
„Mama! Also … ich … also … ich … ich … ich würde … auch ganz, ganz vorsichtig sein. Ich … ich … mach es … ich mach es bestimmt nicht … kaputt. Ehrlich!“

Taktisch war das kein kluger Zug von Jonah. Denn was er auch anfasste, meist war es nachher kaputt oder nicht mehr in dem Zustand, in dem es ihm übergeben wurde.

Was genau genommen nicht Jonahs Problem und erst recht nicht seine Absicht war. Jonah hatte lediglich ein Talent für die Entdeckung unvollkommener Sachen. Mit traumwandlerischer Sicherheit erfasste seine erste Aktion genau den Schwachpunkt eines Systems.

Ob er jetzt seine Hose oder seine Schuhe genau an den Stellen strapazierte, an denen sie am wenigsten geeignet dafür waren oder ob er auf seinem Rechner genau jene Kombination von Aktionen auslöste, die einen sicheren und totalen Absturz auslösten, nichts war vor ihm sicher.

Und nichts hielt länger als die paar Sekunden nach dem Erstkontakt.

Ausser …

Ausser seinem Fussball. Ein archaisches rundes Gebilde, mit Luft aufgepumpt, bestehend aus sechseckigen Flicken, die zusammengenäht waren.

Er liebte es, diesen Gegenstand durch die reale Welt zu „kicken“, wie er es nannte. Dabei waren die wenigsten noch mehr als ein bis zwei Stunden in der realen Welt. Was wollte man von einer realen Welt, wenn man in der virtuellen Welt ein Gott sein konnte. Und alles genauso erledigen konnte, aber die virtuelle Welt eine viel schönere Geschichte enthielt, als in dieser leidigen realen Welt.

Welch Pech, dass man noch an einen physikalischen Körper gebunden war!

Jonah dagegen verabscheute diese Welt der Gaukelei. Die es dem Sinnesorgan erleichterte, die passende Selbsttäuschung zu wählen und friedlich grasend in der Herde mitzuziehen. Fröhlich muhend und beglückt.

Weswegen es auch viele seiner Artgenossen irritierte, dass Jonah immer wieder völlig unerklärliche Wutausbrüche hatte. Zumindest unerklärlich für jene, die in ihrer Filterblase einen gemütlichen und stressfreien Rückzugsort entdeckt hatten. Und das war nun mal die Mehrheit.

Seiner Strategie, sich mit der realen Welt zu konfrontieren, wurde zwar viel Verständnis und Toleranz entgegengebracht, aber ehrlich gesagt, war jeder froh, wenn Jonah nicht da war. Selbst seine Eltern waren oft an dem Punkt, an dem sie fast gern froh gewesen wären, wenn er nicht da war.

Das Problem war natürlich, wenn Jonah nicht da war, wussten die Eltern nicht, welche Schreckensnachricht sie erwarten würde, wenn Jonah wieder da wäre. Also blieb es bei fast gern froh gewesen zu sein.

Dabei war Jonah zu keinem Zeitpunkt darauf aus, irgendjemanden ein Leid zuzufügen. Ganz im Gegenteil. Es dauerte ihn nicht nur, es ärgerte ihn ungemein, wenn jemandem ein Leid zugefügt wurde. Wenn jemand ungerecht behandelt wurde. Genau dies war ja ein grosser Teil seiner Wut, seines Zorns und seiner, für die Umwelt unerklärlichen, emotionalen Ausbrüche.

Und wenn Jonah es ihnen mit den klugen Worten eines Nichtwissenden und Allessehenden erklärte, verstand niemand auch nur ein Wort davon. Fairerweise müssen wir natürlich hinzufügen, das Gerechtigkeit und Leid gemäss Jonahs Definition zu sehen waren. Eine Definition, die, wenn wir es genau nehmen, nur Jonah bekannt war. Und es bestehen berechtigte Zweifel, dass diese Definition auch nur ansatzweise objektiv war (ihr braucht jetzt da hinten nicht rumzubrüllen, auch ich weiss, dass Objektivität ein Mythos ist, aber das Bemühen um die Annäherung an die Objektivität ist kein Mythos, wie ihr selbst wisst, ihr selbstgerechten Subjektivisten!).

Wie dem auch sei, es verging kein Tag, an dem nicht Jonah bettelnd an der Rockschössen seiner Mutter gehangen hätte.

Ein Universum-Baukasten!

EIN UNIVERSUM-BAUKASTEN!

Wie viele sich vielleicht noch erinnern mögen, Geschichte, Gewalt und alles was dazugehört, so ist Folter erst dann grausam und zugleich effektiv, wenn sie über Zeit und zurückhaltend angewandt wird. Sicher, mancher mag einwenden, dass Jonahs Art in keinster Weise zurückhaltend war. Doch ihnen sei gesagt, seine Mutter kannte ihn besser. Und auch in ihren Augen war dieses Verhalten eher zurückhaltend.

Denn jene, die Jonah kannten, wussten, wenn er wirklich wütend war, dann machte er vor nichts mehr halt. Es war ihm vollkommen egal ob er sich oder irgendjemanden anderes physisch verletzte. Nur Eingeweihte wissen von seiner Phase, in der er versuchte, seinen eigenen Kopf am Boden zu zertrümmern. Oder jener Phase, in der er nicht wusste, gegen wen er das Messer in seiner Hand als erstes richten sollte.

Gegen sich oder gegen den Anderen?

Im Zweifelsfall kann man natürlich bei Jonah sagen, gab es eher eine Reihenfolge. Erst die anderen, dann ich. Aber auch nur, nachdem die Reihenfolge „Erst ich, dann die anderen“, respektive der Versuch, sich den Kopf zu Brei zu schlagen, nicht nur grandios fehlgeschlagen war, sondern zudem mit einem übergrossen Mass an Schmerzen geendet hatte, den nicht die anderen, sondern nur Jonah selbst hatte.

Und alles was seine Mutter immer wieder sagte, und es hätte nicht richtiger sein können, war:

„Komm, lass uns ne Runde Fussball spielen.“

Nun ja, genau genommen, sagte sie es zwar, aber Vater war definitiv der bessere Fussballer. Und so blieb es meist, zu seinem eigenen Vergnügen, an ihm hängen. Was allerdings wenig daran ändert, dass beharrliche Folter irgendwann ihre Wirkung zeigt.

„Schaatz, meinst du nicht, wir sollten ihm so einen Universum-Baukasten zum nächsten Geburtstag schenken?“
„Meine geliebte Frau, sicher können wir ihm so etwas schenken. Aber bedenke doch, man hat nur drei Versuche. Stell dir einfach einmal vor, alle drei Versuche schlügen fehl. Der Baukasten ist ja nicht gerade billig. Und dass dieser Baukasten danach zertrümmert in der Ecke liegen würde, ist sicher unser kleinstes Problem. Aber wieviel Baukästen müssen wir ihm kaufen?“
„Ich weiss genau was du meinst. Schlimmer geht immer, wie mein Vater zu sagen pflegte. Und in diesem Fall ist bei Misserfolg definitiv von SCHLIMMER auszugehen. Aber besser wird es leider auch nicht. Ich bin schon jetzt mit meinen Nerven am Ende. Ich zittere beim Aufwachen schon und fürchte mich vor der nächsten Baukasten-Frage.“

Wie das ständige Betteln und Nerven seitens Jonah, so wurde auch diese Gespräch bald zur Routine. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag.

Natürlich gab es niemanden in vergleichbarem Alter und vergleichbarer physischer Ausstattung, der Jonah auch nur im entferntesten Konkurrenz auf dem Gebiet Fussball hätte machen können. Es gab noch eine Folkloregruppe, die diesen ominösen Sport ausübte und es war klar wie Klossbrühe, dass Jonah nicht nur Teil dieser Gruppe war, sondern begann, ob seiner Fähigkeiten, diese Gruppe zu dominieren.

Je besser die Menschen ihn kennenlernten, desto mehr Respekt hatten sie vor seinen Fähigkeiten. Ehrlich gesagt waren das eher wenige. Die meisten waren einfach nur neidisch. Und das galt sogar für seine Freunde. Ähem, seien wir genau, so viele Freunde, war es nicht. Es war eher ein Freund. Oder auch nur Spielkamerad. Einer der besser als andere mit Jonahs Art umgehen konnte. Bis zu diesem verhängnisvollen Tag.

Wie es so oft der Fall ist, bricht die Freundschaft meist an dem Punkt, an dem sie eigentlich beginnen sollte. Jonah und sein Freund waren da keine Ausnahme. Auch er war in dieser Folkloregruppe. Auch er war nicht schlecht. Aber eben nicht so gut wie Jonah. Was untereinander überhaupt kein Problem war. Aber es hatte einfach eine andere Qualität, von jemandem auf diesen Umstand hingewiesen zu werden, den man eigentlich nur ansatzweise kannte.

Es brachte einem radikal zu Bewusstsein, wo man eigentlich stand, egal, wie gern man sich irgendwo anders gesehen hätte. Und das war einfach zu viel. Nicht für Jonah, nein. Nur für seinen Freund.

Wäre Jonah älter gewesen, hätte er bereits früher erkannt, dass etwas nicht mehr stimmte. Aber so? Wie sollte er? Da war so ein Gefühl. Wie ein kleiner nervender aber nicht wirklich gegenwärtiger Schmerz. Irgendetwas stimmte nicht. Aber wer mochte schon sagen, was es tatsächlich war, dass da nicht stimmte. Man war ja manchmal einfach nur nicht so gut drauf. Und Jonah kannte das Bestens. Folglich hatte er auch weniger Probleme damit, als es andere gehabt hätten. Genau deswegen schätze er die Situation so falsch ein. Und genau deswegen war alles, was an diesem verhängnisvollen Tag geschah, einfach nur ein Überreaktion auf die Enttäuschung, eine solche Fehleinschätzung begangen zu haben.

Begonnen hatte dieser verhängnisvolle Tag eigentlich wie jeder andere. Weder besonders gut, noch besonders schlecht. Ein Umzug war geplant. Laternen waren gebastelt worden und eine fiebrige Erwartung erfüllte die Luft, als der Abend und der Umzug immer näher und näher kamen (Jetzt mal Ruhe da hinten, sicher war der Tag bis zum Abend eher wenig verhängnisvoll, aber ist das wirklich wichtig?).

Jonah und sein Freund liefen fröhlich, zumindest schien es Jonah so, im Umzug mit und schwenkten ihre Laternen. Jonah dachte sich nichts dabei, dass sein Freund ihn immer wieder anrempelte. Es war ja wirklich eng, mit diesen vielen Leuten. Da konnte so etwas leicht passieren.

Als sein Freund anfing, Jonah in die Schulter und den Bauch zu boxen, wurde die Sache langsam komisch.

„Hey, lass das!“
„Waaas?“
„Das Boxen und so …“
„Waaarum?“
„Es gefällt mir nicht …“
„Du bist ein Weichei!“
„???“
„Ein Feigling, ein Looser, du hast ja noch nicht mal einen Universum-Baukasten!“

Jonah hätte sich durchaus als tolerant und weltoffen bezeichnet, eine Meinung, die wenige Zeitgenossen mit ihm teilten, aber das war nun wirklich zu viel. Insbesondere als sein Freund sein neuestes Universum aus der Tasche zog und es provokativ vor Jonahs Augen baumeln liess.

„Haha, Loooooser, du bekommst nie ein Universum. NIE, NIE, NIE! Haha, ellebätsch!“

Die wenigsten unserer Zeitgenossen hätten behauptet, dass Jonah mit Geduld gesegnet war. Die meisten hätten Stein und Bein geschworen, dass das Gegenteil der Fall war. Und auch wenn es für viele nach einer völlig spontanen Reaktion aussah, so sei doch angemerkt, dass Jonah für Mikrosekunden in tiefstem Hader und Widerstreit gefangen war. Bis sich … nun ja … wie soll man das schonend einem unwissenden Publikum beibringen … nun ja, bis sich seine Faust im Gesicht seines Freundes befand. Und das war der weniger schlimme Teil. Es kostete den Freund einen Zahn, aber wer wird bei Milchzähnen schon kleinlich sein.

Der schlimme Teil war der, den keiner so richtig mitbekam. Wie ich bereits erwähnte, besass Jonah einige Fähigkeiten, manche mögen es Akrobatik nennen, was den Umgang mit Lederbällen und Füssen im Zusammenspiel betrifft. Die Faust war letztendlich nur ein Ablenkungsmanöver, das besser funktionierte, als erwartet. Zur bleibenden Verblüffung von Jonah. Sein eigentliches Ziel war das Universum. Wie es da herrlich in der Masseneffektorkugel schimmerte, die sein Freund baumelnd an einer Kette hielt.

Und tatsächlich war es noch nicht einmal ein richtiges Universum. Es war nur ein diffuses blinkendes Leuchten aus der Mitte der Masseneffektorkugel. Eigentlich, wenn man es genau nahm, hatte Jonahs Freund das Experiment schon versaut. Es würde nichts mehr werden und nach einem Tag wäre es jedem offensichtlich.

Wie ich ebenfalls erwähnte, hatte Jonah ein „Händchen“ für die richtige Schwachstelle. Wer noch nie gesehen hat, was ein freigelassenes Masseneffektorfeld anrichten kann, der möge hoffen, dass er es auch niemals je zu Gesicht bekommen möge (und ihr da hinten seid jetzt mal ganz ruhig, auch ich weiss, dass wir überall Eindämmungsfelder haben, sonst würden wir unsere Kinder ja nicht mit Universen herumlaufen lassen, die die Sprengkraft jeder denkbaren Waffe um ein Vielfaches übertreffen, also hört zu, statt ständig zu unterbrechen).

Das Problem bestand darin, dass die Eindämmungsfelder nicht für eine solche Situation geschaffen waren. Eine Masseneffektorkugel, durch einen Tritt nicht nur extrem beschleunigt, nein auch noch, als ob das nicht schon genug wäre, instabil. Kurz vor der massiven Inflation, die die Deflation einleitet.

Und hätten die Eindämmungsfelder nicht genau in diesem Moment reagiert, zu spät, aber immerhin nicht völlig zu spät, dann könnte ich euch diese Geschichte nicht hier und nicht heute erzählen. Denn ich war dabei.

Die Kugel barst auseinander, Tim und sein Freund, wie auch viele in ihrer Umgebung, mich eingeschlossen, wurden weggeschleudert und durch Traumaeindämmungfelder gerettet. Und für einen Bruchteil einer Mikrosekunde entfaltete sich eine neues Universum. Frei. Ohne Grenzen. In einer rasanten Geschwindigkeit. Das breiige undefinierte Wabern zog sich zuerst in sich zusammen um dann in klumpiger Qualität auseinander zu brechen. Und sich auszubreiten.

Glücklicherweise griffen in diesem Moment die Eindämmungsfelder.  So weit, so gut. Das Universum war ein bisschen grösser geworden als üblich. Ein mit sich Herumtragen war quasi ausgeschlossen, wenn man nicht mindestens zehn Meter hoch war. Aber dank der Natur der Eindämmungsfelder konnte die Galaxie sich im Inneren nun weiter unendlich ausbreiten, ohne im Äusseren je mehr Raum einzunehmen, als die Eindämmungsfelder gestatteten.

So weit, so wenig verwunderlich, werdet ihr jetzt rufen. Ja, auch ihr da hinten. Sicher, was ist da so Besonderes daran, werdet ihr fragen? Und ich werde euch antworten. Nichts, werde ich sagen. Nichts, ausser, dass wir einen Gott geboren haben.

Aha, ich sehe euch stutzen? Das hättet ihr nicht erwartet? Sagt selbst, wart ihr schon jemals in diesem kleinen, unscheinbaren Jonah-Museum? Hier, gleich um die Ecke in Planquadrat Q42? Aha! Ich sehe Erstaunen. Noch nie davon gehört, etwa?

Jonah selbst interessiert sich nicht wirklich dafür. Die ganzen Ereignisse rund um das Universum waren einfach für ihn und seinen Freund zu traumatisch. Er hat uns kurz darauf einmal gefragt, ob es dem Universum noch gut geht. Und wir konnten ihm antworten, es lebt jetzt schon seit ungefähr 3 Tagen. Das hat noch nie jemand erreicht. Seitdem haben wir nicht mehr von Jonah gehört. Ich schätze, er wird irgendwo seinen Fussball durch die Gegend „kicken“.

Aktuell sind wir bei Tag 14 angelangt und immer noch breitet das Universum sich aus. Was uns ein wenig irritiert (ich untertreibe hier, wir sind genaugenommen in blanker Panik) ist der Umstand, dass wir scheinbar Leben entdeckt haben.

Wir können seit ein paar Stunden Radiowellen empfangen, die darauf hindeuten, dass sich Leben entwickelt hat und versucht zu kommunizieren. Huch? Sehe ich da Entsetzen in den hinteren Reihen? Lasst euch gesagt sein, ich fühle mit euch, Mir erging es nicht anders!

Doch damit nicht genug – nein, erbleicht noch nicht, es kommt noch dicker – auf verschiedenen Planeten in verschiedenen Galaxien des Universums scheint sich ein Kult um einen Gott durchzusetzen.

Einen Gott … tief einatmen, ooohmm, ja, so ist es richtig … der verantwortlich sein soll für dieses Universum. Zumindest wenn wir die unterschiedlichen simplen Sprachstrukturen richtig deuten.

Halt, halt, gemach, der Witz kommt erst noch. Wir haben sogar einen Planeten gefunden, auf dem von einem „unbewegten Beweger“ … ja, haha, ja, genau so geht es mir auch jedes Mal, wenn ich es wieder höre und sage … gesprochen wird.

Ich sehe, wir haben uns wieder beruhigt. Wie drollig. Was so ein Miniaturuniversum alles für Auswirkungen haben kann. Dabei haben wir doch nur ein bisschen miniaturisierten Wasserstoff verwendet. Wer hätte denn ahnen können, dass dabei so etwas herauskommt?

Doch kommen wir zum ernsten Teil. Der Unterhalt für dieses Universum, da es weder der Normgrösse entspricht, noch sich wie die anderen Universen verhält, wird zunehmen teurer.

Wir stehen also vor der einzigartigen Frage:

Sollen wir es heute abschalten?

Oder möchte uns jemand unterstützen und wir warten noch ein Weilchen? Ich meine, so witzig das mit diesem Miniaturleben auch ist, können wir uns das wirklich leisten?

Ich bitte um Wortmeldungen!